OEMs als Fahrradhersteller M&A-Experte Tobias Seige: „Kleine Fahrradhersteller werden nicht mithalten können“

Von Christian Otto

Anbieter zum Thema

Porsches Einstieg in die Wertschöpfungskette der Fahrradindustrie ist nur ein Beispiel. Tobias Seige, Partner bei der Investmentbank Cowen, ordnet Fehler der Vergangenheit, Chancen und möglichen Marktentwicklungen für Spieler aus der Automobilindustrie ein.

Porsche ist am konsequentesten in die Fahrradindustrie eingestiegen. Weitere Automobilhersteller und -zulieferer folgen.
Porsche ist am konsequentesten in die Fahrradindustrie eingestiegen. Weitere Automobilhersteller und -zulieferer folgen.
(Bild: Porsche)

Wie viele Automobilhersteller planen derzeit auch E-Bikes in ihr Angebot aufzunehmen?

Nach unserer Kenntnis haben bereits viele europäische Hersteller E-Bikes im Programm oder beschäftigen sich mit dem Thema – allerdings mit unterschiedlicher Intensität und Strategie. Die Palette reicht von gebrandeten Bikes in den Showrooms, ohne großes Konzept dahinter, bis hin zu Herstellern wie Porsche, die sehr weit in die Wertschöpfung eintauchen. Dazu hat Porsche in letzter Zeit einige Akquisitionen vorgenommen und ist als OEM auch entwicklungsseitig in das Geschäft eingestiegen.

Welcher OEM geht aus Ihrer Sicht derzeit den zielstrebigsten Weg beim Thema E-Bike?

Porsche macht es am konsequentesten. Es gibt in Süddeutschland aber noch einen weiteren namhaften OEM, der eigene Konzepte entwickelt. Auch dort geht es weit über die Partnerschaft mit einem Fahrradhersteller hinaus, der gebrandete Bikes für den OEM produziert und es gibt klare Entwicklungskonzepte, wie bei Porsche.

Tobias Seige, ist Partner und M&A-Experte bei der Investmentbank Cowen.
Tobias Seige, ist Partner und M&A-Experte bei der Investmentbank Cowen.
(Bild: Cowen)

Die Fahrradindustrie ist doch anders organisiert, als die OEMs es aus ihrem Geschäft kennen?

Fünfzehn Jahre zuvor war ein Fahrrad technologisch noch von überschaubarer Komplexität. Es waren vor allem die Rahmen, die anspruchsvoll hergestellt wurden. Damals wie heute gibt es im Markt Platzhirsche für Schlüsselkomponenten, die selbst ein sehr starkes Branding haben. Jeder kennt etwa Shimano, Magura oder Bosch. Darin liegt auch ein deutlicher Unterschied zur Automobilwelt, weil die Fahrradhersteller – anders als die OEMs – mit ihren Brands gegen ihre Zulieferer konkurrieren. Denn im Bikemarkt orientiert sich der Konsument viel stärker an den Komponenten, die verbaut werden. Beim E-Bike ist das heute zum Beispiel Bosch mit seinen Antriebssystemen. Und die Lieferanten in der Fahrradwelt forcieren auch das eigene Branding.

Aber der Fahrradmarkt hat sich verändert?

Ja. Vor 15 Jahren waren die Eintrittsbarrieren auf dem Fahrradmarkt noch geringer. Dadurch ist die Branche auch so fragmentiert. Es gibt heute eine sehr große Zahl von Bike-Herstellern. Aus meiner Sicht wird es hier in den kommenden Jahren eine starke Konsolidierung geben. Treiber ist die zunehmende Komplexität der Bikes.

Die Wertschöpfungskette ist demnach in der Fahrradbranche nicht durch die Hersteller dominiert. Könnte sich das durch den Einstieg von Automotive-OEMs verändern?

Das ist ein Kristallisationspunkt. Porsche hat beispielsweise zwei Dinge gemacht: Sie haben über den Bugatti-Deal, mit Rimac zusammen, eine Fahrradmarke sozusagen geerbt. Rimac hat als Tochter das Thema E-Bike vorangetrieben. In einem zweiten Schritt ist Porsche mit dem Kauf des Start-ups Fazua in die Antriebstechnologie eingestiegen. Und dieser Bereich wird die Bikes künftig noch viel stärker definieren.

Es gibt einige OEMs, die ihr Logo auf nicht so hochwertigen Bikeprodukten platzieren. Kann so etwas das Thema Markenloyalität nicht auch konterkarieren? Auch deutsche Hersteller hatten bspw. schon vor Jahren Fahrräder im Programm, die nicht mit Produkten von klassischen Herstellern mithalten konnten.

Das ist ein unglaublich sensibler Punkt. Für einen OEM ist die Marke heilig, das ist seine DNA. Die Beschädigung der Marke ist daher ein hohes Risiko. Deshalb darf es nicht passieren, dass Fahrräder oder E-Bikes, die den gleichen Markennamen tragen, diesen durch schlechtere Qualität beschädigen. Es gab da Hersteller, die in der Vergangenheit infolge von Aktionismus Fahrräder in die Showrooms gestellt haben, die eben nicht den eigenen Ansprüchen genügten. Diesen Fehler werden sie sicher nicht noch einmal machen.

Wie stark muss ein Hersteller in die Wertschöpfung einsteigen? Oder sollten die OEMs die von ihnen dominierte Zusammenarbeit mit Zulieferern aus der Automotivewelt auf die Bikewelt überführen?

Definitiv ist das ein Vorgehen, dass Sinn macht. Aber auch namhafte Zulieferer tun sich im Fahrradgeschäft schwer. Ein Beispiel ist Continental, die mit großem Aufwand gestartet sind, sich dann aber wieder aus dem Bike-Business zurückgezogen haben. In die gleiche Kategorie fällt Rheinmetall, die auch im Mittelmotorbereich versucht haben, ein Produkt zu lancieren. Und auch aktuelle Bestrebungen, wie etwa die von Valeo, werden nicht zwangsläufig erfolgreich sein. Der Fahrradmarkt ist anspruchsvoll. In der automobilen Zuliefererpyramide hat der OEM die Marke, das Fahrzeugkonzept und damit die Entwicklung sowie zumeist die Endmontage und den Vertrieb selbst in der Hand. Die Komponenten und Subsysteme sind eher bei den Tier-1 bis Tier-N angesiedelt.

Aber gerade in der Elektromobilität versuchen die Fahrzeughersteller aus verschiedenen Gründen dieses Tier-Konzept aufzubrechen und stärker zu vertikalisieren. So geht etwa der chinesische Hersteller BYD bis in die Zellchemie der Batterie hinein. Ähnliches sehen wir bei Tesla und anderen Herstellern. Ein weiteres Beispiel ist der Elektromotor. Auch hier ist Porsche ein gutes Beispiel, denn die Assemblierung des Motors für den Taycan erfolgt beim OEM selbst. Sicher ist das nur eine Momentaufnahme, und wenn die Transformation vorangeschritten ist, dürfte es auch wieder zu mehr Outsourcing führen. Aber die OEMs sind heute wieder viel stärker in die Herstellung involviert.

Und was bedeutet das für das Thema E-Bike?

Ein Fahrrad wird, anders als noch vor 15 Jahren, immer mehr ein Fahrzeug und immer komplexer. Das betrifft nicht nur den E-Antrieb, sondern auch die ganze Software am Bike, wie das Batteriemanagement oder die Synchronisierung verschiedener Sicherheits-Technologien. Beispielsweise gibt es Hersteller, die an aktiven Fahrwerken arbeiten, die Bodenunebenheiten maximal und mit Voraussicht absorbieren, ähnlich der Mercedes S-Klasse. Hinzu kommen die Themen Vernetzung und Kommunikation. Dadurch, dass sich das Fahrrad zu einem komplexen Fahrzeug entwickelt, werden die kleinen, klassischen Fahrradhersteller bald nicht mehr mithalten können. Das wird den Markt konsolidieren.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Für welche Hersteller sehen Sie die größte Wachstumschance beim Fahrradgeschäft? Profitieren Luxusmarken hier mehr, da ihre Kunden eher bereit sind, die Marke über verschiedene Mobilitätsformen zu nutzen und zu platzieren.

Die führenden Automobilhersteller werden entlang ihrer Marke Premiumprodukte anbieten. Ein Mercedes wird ganz sicher kein Low-Cost-Bike anbieten. Dort wird das Produktportfolio auch auf Luxus fokussiert. Auf der anderen Seite des Spektrums wird beispielsweise Dacia vermutlich kein 4.000-Euro-Bike anbieten. Eine solche Marke wird sich preislich deutlich darunter positionieren. Aber sie werden auch Mobilitätsangebote machen, die günstiger sind.

Design oder Technik? Was erwarten die Kunden jeweiliger OEM-Marken von den Bikes? Wollen SUV-Marken-Fahrer eher technisch ausgefeilte E-Mountainbikes und Sportwagenfahrer, ästhetische E-Rennräder oder E-Fixies?

Ein Rennrad, das weniger als 10 Kilogramm wiegt, passt mit einer Marke wie Jeep eher nicht zusammen. Ein solches Produkt passt viel eher zu Lamborghini.

Inwieweit spielt auch das Thema Cargobike eine Rolle? Gibt es hier erste Versuche? VW ist daran gescheitert.

Dieses Thema dürfte stark durch Logistikdienstleister wie die Deutsche Post oder Amazon getrieben werden, die die letzte Meile als Geschäftsfeld haben. Sie geben eine Spezifikation vor, anhand derer Cargobike-Hersteller die Fahrzeuge dann entwickeln. Wir sehen hier aber auch kommunale Initiativen, die sich damit befassen.

(ID:49254446)