Vectron Dual Mode: Diesel- und E-Lok in einem

Redakteur: Richard Oed |

Mit einer Diesellokomotive unter Oberleitung zu fahren ist wenig sinnvoll. Ebenso wenig aber ist die Vorhaltung sowohl einer Diesel- als auch einer E-Lok für dieselbe Zugleistung zielführend. Abhilfe schafft eine Zweikraft-Lösung die beides auf sich vereint.

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Unter Fahrleitung oder mit Diesel, aber immer mit 2.000 kW: Der Vectron Dual Mode von Siemens vereinfacht die Zugförderung.
Unter Fahrleitung oder mit Diesel, aber immer mit 2.000 kW: Der Vectron Dual Mode von Siemens vereinfacht die Zugförderung.
(Bild: Siemens)

Elektrifizierte Eisenbahnstrecken sind leistungsfähig und umweltschonend. Von den 38.500 km des deutschen Schienennetzes sind heute rund 60% mit Oberleitung ausgerüstet. Auf diesen wird circa 80% des Schienengüterverkehrs abgewickelt. Dies bedeutet aber auch, dass auf 40% der Strecken der Güterverkehr noch mit Dieselloks betrieben werden muss.

Ein Umspannen der Züge an den Schnittstellen ist nicht nur zeit- und personalintensiv, sondern bindet gleichermaßen Kapital, da Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) neben einer Diesellokomotive auch eine elektrische Lokomotive vorhalten müssen. Daher fahren viele EVUs unter Fahrdraht mit ihren Dieselloks weiter. Das ist weder ökonomisch noch ökologisch besonders sinnvoll, da ein elektrischer Betrieb im Vergleich zum Dieselbetrieb aufgrund des reduzierten Wartungsaufwands und des kleineren Kraftstoffverbrauchs kostengünstiger ist, weniger Lärm verursacht und den Ausstoß von Kohlendioxid, Stickoxiden und Feinstaub verringert.

Hier setzt Siemens Mobility mit seiner im September 2018 auf der InnoTrans als Konzept vorgestellten und auf der transport logistic 2019 bereits als fertige Lokomotive präsentierten vierachsigen Zweikraftlok Vectron Dual Mode an. Bei der Entwicklung griff Siemens auf seinen 2010 eingeführten Vectron DE, der dieselelektrischen Variante des elektrischen Vectron, zurück und rüstete ihn zusätzlich mit Stromabnehmer, Transformator und erweitertem E-Block mit Umschaltgerüst aus. Damit entstand ein Fahrzeug, das zwei vollwertige Lokomotiven in sich vereinigt und sowohl im Dieselbetrieb als auch im elektrischen Betrieb eine Traktionsleistung am Rad von 2.000 kW bei einer Anfahrzugkraft von 300 kN zur Verfügung stellt. Ein Umschalten zwischen den beiden Betriebsmodi ist dabei während der Fahrt möglich und dauert nach Herstellerangaben deutlich weniger als eine Sekunde.

Auch für den Streckendienst geeignet

Mit dieser Technik können Elektrifizierungslücken im Streckennetz ebenso überbrückt werden, wie nichtelektrifizierte Anschlussgleise auf den ersten und letzten Kilometern, und dies ohne Halt und ohne Lokwechsel. Die identische Leistung in beiden Modi unterscheidet den Vectron Dual Mode auch von mit sogenannten Last-Mile-Dieselmotoren oder Rangierdieseln ausgerüsteten Elloks. Deren Dieselmotoren leisten meist nur zwischen 160 und 560 kW und sind in erster Linie für die Bedienung von Werksanschlüssen und nicht für den Streckendienst gedacht.

Im Dieselbetrieb wird die von dem an den Verbrennungsmotor angeflanschten Drehstrom-Synchrongenerator erzeugte Wechselspannung gleichgerichtet und an die Spannung des Gleichspannungszwischenkreises angepasst. Zwei wassergekühlte IGBT-Pulswechselrichter (PWR), jeweils einer pro Drehgestell, speisen daraus dann die fremdbelüfteten Drehstromasynchronmotoren an den Achsen. Zusätzlich ist noch ein Hilfsbetriebeumrichter (HBU) vorhanden, der Drehstrom mit 440 V / 60 Hz für die Hilfsbetriebe erzeugt.

Bei Versorgung aus der Oberleitung wird die Fahrleitungsspannung auf die Spannung des Gleichspannungszwischenkreises transformiert, gleichgerichtet und anschließend in den Zwischenkreis eingespeist. Die Umschaltung zwischen den Betriebsmodi erfolgt dabei über eine spezielle Elektronik. Ebenfalls eingebaut ist eine elektrische Bremse mit einer Bremskraft von 150 kN. Diese stellt eine Bremsleistung am Rad von 2.100 kW im E-Betrieb und von 1.700 kW im Dieselbetrieb über einen Bremswiderstand zur Verfügung. Gegenüber dem aktuell mit 980 in verschiedenen Varianten verkauften Exemplaren des rein elektrischen Vectrons, der mit einer Leistung von bis zu 6.400 kW angeboten wird, sind die Stromrichter und Fahrmotoren für die wesentlich geringere Leistung des Dual Mode ausgelegt.

Weniger Emissionen und geringerer Kraftstoffverbrauch

Der in der Lokomotive verwendete 16-Zylinder Viertakt-MTU-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzung vom Typ 16V4000 leistet gemäß UIC 623-2:2010 an der Kurbelwelle 2.400 kW und entspricht mit Partikelfilter der Abgasnorm EU Stage V.Um unter dem Lokomotivkasten Platz für den Transformator zu schaffen, wurde der Kraftstoffbehälter verkleinert. Er fasst nunmehr 2.500 Liter Kraftstoff, gegenüber 4.000 Liter bei der reinen Dieselvariante, was aber aufgrund des Einsatzschemas ausreichend sein dürfte. Mit den zusätzlichen Einbauten kommt der Vectron Dual Mode bei einer Länge von 19.975 mm auf ein Gewicht von 90 t, was bei einer Achslast von 22,5 t einen Einsatz auf allen Strecken der Klasse D ermöglicht. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 160 km/h. Mit einer Spurweite von 1435 mm und der Auslegung für das Spannungssystem von 15 kV / 16,7 Hz ist die Lokomotive für die Verwendung vor Güterzügen in Deutschland konzipiert. Ausgerüstet ist der Vectron Dual Mode mit der Zugsicherung PZB (punktförmige Zugbeeinflussung), ist aber für den Einsatz von ETCS (European Train Control System) vorbereitet.

Die Geräteanordung im Maschinenraum des Vectron Dual Mode.
Die Geräteanordung im Maschinenraum des Vectron Dual Mode.
(Bild: Siemens)

Nach Herstelleraussage bedeutet die Dual-Mode-Lok bei einer durchschnittlichen jährlichen Laufleistung von 150.000 km und 4.000 Betriebsstunden pro Lokomotive für den Betreiber eine Einsparung von 53% bei den Wartungs- und Energiekosten und von 950 t CO2 pro Jahr. Dies gilt bei einer für den Güterverkehr typischen Aufteilung zwischen Oberleitungs- und Dieselbetrieb von 80 zu 20.

Derzeit liegen bereits zwei Bestellungen für den Vectron Dual Mode vor. So hat Railsystems RP im November 2019 zwei Lokomotiven dieses Typs geordert, ebenso wie die Mindener Kreisbahn im März 2020. Gefertigt werden die Loks im Siemens-Mobility-Werk in München-Allach, die Drehgestelle werden von Siemens Mobility Graz zugeliefert. Mit der Zulassung für den allgemeinen Betrieb durch das Eisenbahnbundesamt (EBA) und der Auslieferung der ersten Lokomotiven an die Besteller wird gegen Ende des Jahres gerechnet.

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