Gefahren Kleine Elektro-Katze aus China
Der chinesische Kompaktwagen mit dem Namen „Funky Cat“ der Marke Ora kommt mit seiner Kulleraugen-Optik niedlich daher. Ernst nehmen sollten ihn deutsche Hersteller trotzdem.

Bunt, niedlich und chinesisch – der „Ora Funky Cat“ fordert Westeuropäer schon fast dazu auf, ihn zu unterschätzen. Doch der Kompaktwagen aus dem Great-Wall-Konzern kann mit hiesigen E-Autos durchaus mithalten. Ein paar Schrullen und einen echten Fehler leistet er sich trotzdem.
Selten erregte ein Testwagen so viel positive Aufmerksamkeit wie der knuffige Fünftürer aus Fernost. Kulleraugen, Retro-Styling plus futuristisches Leuchtband-Heck, Zweifarben-Lack und das ungewohnte Ausrufezeichen-Logo auf der Motorhaube treffen offenbar den Geschmack hiesiger Passanten.
Auch wenn die eigentliche Zielgruppe junge chinesische Stadtbewohner sind. Nach Deutschland schnuppert Ora bislang nur mal vorsichtig rein, setzt aber bereits eine eigene Duftmarke.
Innenraum eher knapp geschnitten
Auch wenn der Stromer auf den ersten Blick wie ein optisch verspielter Kleinwagen wirkt, ist er mit 4,24 Metern Länge fast exakt so groß wie ein VW ID 3. Zumindest von außen. Innen und vor allem hinter den beiden Vordersitzen ist das China-Auto jedoch deutlich knapper geschnitten als der norddeutsche Konkurrent.
Der Kofferraum ist mit 228 Litern klein und zudem durch die hohe Ladekante nur schwer zu bestücken. Fahrer und Beifahrer sitzen hingegen luftig auf verbindlich gepolstertem Gestühl, das für Großgewachsene aber etwas schmal geschnitten ist. Das Cockpit ist wie auch die Karosserie einwandfrei gearbeitet, die Materialien wirken der Preisklasse angemessen wertig.
Nur der Vollständigkeit halber: Üblen Lösungsmittelgeruch, wie ihn vor fast zwei Jahrzehnten die erste Welle der China-Autos ausströmten, gibt es nicht. Generell verbietet sich im Ora jeder westliche Chauvinismus – der Kompaktwagen ist formal nicht nur ein gut gemachtes, sondern auch ein originelles Auto. Wer genau hinschaut, mag bekannte Stilelemente wie den leicht Porsche-haften Blick erkennen, sieht aber auch genug Eigenständigkeit.
Assistenzsysteme benötigen ein Update
Bei Infotainment und Assistenzsystemen kann der Stromer anders als beim Design nicht überzeugen. Die Bedienung wirkt teils mindestens ungewohnt, wenn nicht umständlich. Geradezu aufdringlich und distanzlos kommt das Fahrerüberwachungssystem daher, das einen bei geringsten Versäumnissen mit länglichen Moralpredigten („Seien Sie nicht geistesabwesend, konzentrieren Sie sich auf den Verkehr“) drangsaliert.
Hier wäre ein wenig mehr Zurückhaltung angebracht. Ebenso beim Kollisionswarner, der regelmäßig schon beim normalen Heranrollen an den Vordermann in piepsige Panik verfällt und einen Zusammenprall kommen sieht, der nicht mal im Entferntesten wahrscheinlich ist. Hier fehlt es wohl einfach noch ein wenig an Europäisierung und Feinabstimmung.
400 Kilometer Reichweite mit der großen Batterie
Beim Fahren auf der Straße schlägt sich das Modell hingegen schon recht wacker. Der relativ hohe Aufbau und die leicht erhöhte Sitzposition mögen für schnelles Fahren auf kurvigen Landstraßen hinderlich sein, im städtischen Alltag hingegen sorgen sie für gute Übersicht und bequeme Körperhaltung. Dort macht auch der antrittsstarke E-Antrieb (126 kW/171 PS) Freude, der dem Kompaktauto einen agilen Charakter verpasst.
Bei Zwischenspurts auf der Landstraße und erst recht jenseits der Richtgeschwindigkeit lässt der Zug spürbar nach (Vmax: 160 km/h), ohne dass der Ora zum Verkehrshindernis wird. In Sachen Verbrauch überzeugt der Kompaktwagen jedoch voll: Knapp 16 kWh zieht der permanent erregte Synchronmotor bei mildem Frühlingsklima aus der im Testwagen montierten 59,3 kWh (netto) großen Batterie, sodass realistisch knapp 400 Kilometer Reichweite mit vollem Akku möglich sind.
Wer im Alltag nur wie empfohlen auf 80 Prozent lädt, kommt mehr als 300 Kilometer weit, bevor er wieder an der Steckdose andockt. Ausgerechnet wenn es schnell gehen muss, ist dort allerdings nerviges Warten angesagt: Maximal 67 kW Ladeleistung bringt der Chinese auf, die in der Praxis mit zunehmendem Akku-Füllstand zudem deutlich nachlassen. Da hilft auch der geringe Verbrauch nur bedingt: Viel mehr als 200 zusätzliche Kilometer sind in einer halbstündigen Pause nicht drin.
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