Oberleitungs-Lkw: Wirtschaftlicher als synthetische Kraftstoffe?
Auf stark befahrenen Autobahnabschnitten in Deutschland könnten Oberleitungs-Lkw schon 2030 wirtschaftlich attraktiv sein – vorausgesetzt, der Staat baut eine entsprechende Infrastruktur auf. Dadurch würde auch die CO2-Vermeidung für Speditionen deutlich günstiger als der Umstieg auf synthetische Kraftstoffe.
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Ein Oberleitungs-Lkw (O-Lkw) kann im Jahr 2030 die CO2-Emissionen gegenüber einem Diesel-Lkw fast halbieren, Fahrzeug- und Infrastrukturherstellung und Stromerzeugung mit eingerechnet. Gelingt es, bis 2030 ein Oberleitungs-Basisnetz von 3.200 Kilometern Länge auf besonders intensiv befahrenen deutschen Autobahnabschnitten zu errichten, so könnten jährlich bis zu 9,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht knapp 20 % der der Gesamtemissionen des deutschen Straßengüterverkehrs. Wird diese Infrastruktur zukünftig auch durch internationale Lkw-Verkehre genutzt, sinken laut der efeu-Studie "Roadmap OH-Lkw:Einführungsszenarien 2020-2030" die CO2-Emissionen weiter.
Gestaltung der Einführungsphase ist zentral
Eine Kernfrage des Vorhabens war, ob sich ein O-Lkw-System mittelfristig wirtschaftlich tragen kann. Um dies konservativ abzuschätzen, wurden für die Berechnung möglicher Markthochläufe von O-Lkw nur diejenigen Transporte betrachtet, die als Pendelverkehre organisiert werden können und daher besonders geeignet sind. Die notwendigen Mittel für ein Oberleitungs-Basisnetz von 3.200 Kilometern werden auf insgesamt etwa 7 Milliarden Euro taxiert, die über etwa 10 Jahre investiert werden müssten. Dieser Gesamtbetrag entspricht in etwa den jährlichen Einnahmen aus der Lkw-Maut.
„Unsere Rechnungen zeigen, dass nach etwa 10 bis 15 Jahren eine Gegenfinanzierung des Systems durch die eingesparten Betriebskosten der Nutzer möglich ist. Das System kann sich dann finanziell selbst tragen“, so Julius Jöhrens, Studienleiter am ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg.
Verlässliche Vorgaben nötig
Bei den Berechnungen wurde unterstellt, dass die Lkw-Betreiber wirtschaftlich rational handeln und entsprechende O-Lkw am Markt sind. „Dafür müssen die Flottenbetreiber und die Hersteller sich auf langfristige Vorgaben der Politik verlassen können“, hebt Julius Jöhrens hervor. Zentral ist dabei ein verlässlicher Aufbau der Infrastruktur sowie gezielte finanzielle Anreize in der Startphase. Das ifeu hat die Auswirkungen verschiedener Förderinstrumente untersucht. Jöhrens: „Finanzielle Entlastungen wie eine Kaufprämie oder eine Befreiung von der Lkw-Maut helfen zum Start, werden aber mit einer steigenden Anzahl von Fahrzeugen sehr teuer und sollten daher nur befristet eingesetzt werden. Eine ambitionierte CO2-Bepreisung ist das sinnvollste Instrument für eine nachhaltige und für den Staat kostenneutrale Antriebswende.“
Oberleitungs-Lkw mit Kostenvorteilen gegenüber synthetischen Kraftstoffen
O-Lkw können die hohe Energieeffizienz von Elektrofahrzeugen erreichen, ohne deren typischen Nachteil einer batteriebedingt CO2-intensiven Fahrzeugherstellung in Kauf nehmen müssen. Der vergleichsweise geringe Materialaufwand wirkt sich auch auf die Kostenbilanz aus – ein Hybrid-Lkw mit Stromabnehmer rechnet sich im Jahr 2030 bereits dann, wenn lediglich ein Drittel der jeweiligen Strecke unter Oberleitung zurückgelegt wird. Das macht ihn auch gegenüber anderen CO2-Minderungsoptionen attraktiv.
„Gegenüber dem Einsatz von synthetischen Kraftstoffen (Power-to-liquids) kann ein O-Lkw-System bereits dann etwa 10 % Systemkosten einsparen, wenn die Oberleitungen allein durch besonders geeignete inländische Verkehre genutzt werden. Das hat uns selbst überrascht“, berichtet Julius Jöhrens. Der Aufbau eines Oberleitungsnetzes auf den deutschen Hauptstrecken kann damit unabhängig von einem möglichen späteren internationalen Systemausbau sinnvoll sein.
Ausbau zwischen Ballungszentren beginnen
„Ein O-Lkw-System spielt seine Kostenvorteile am schnellsten bei einer guten Auslastung aus. Darum sind die hoch frequentierten Strecken zwischen den Ballungszentren wie Hamburg, Berlin, Rhein-Main-Gebiet und Ruhrgebiet der beste Ausgangspunkt“, sagt Julius Jöhrens. Für wenig frequentierte Strecken seien voraussichtlich Antriebe günstiger, die nicht auf eine so genannte streckengebundene Energieinfrastruktur angewiesen seien. Hier könnten dann beispielsweise Brennstoffzellenantriebe zum Einsatz kommen. Langfristig erwarten die Experten daher einen Technologiemix im europäischen Güter-Fernverkehr.
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