Marktüberblick: Ladetechnik für Elektroautos
Elektroautos bewegen sich in einem Marktumfeld, auf das viele verschiedene Kräfte wirken. Speziell Regierungen der westlichen Welt treiben den Umstieg von Benzin- und Dieseltechnologie auf E-Modelle voran. Allerdings hakt es gerade beim Ausbau der Ladeinfrastruktur noch immer. Doch welche Anbieter, mit welcher Ladetechnologie und in welchem Umfang sind überhaupt am Markt vertreten? Ein Überblick.
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Ein entscheidender Punkt bei der erfolgreichen Bewältigung dieses Prozesses ist es, das Vertrauen der Autofahrer zu gewinnen. Der Schlüssel dazu: schnelle und bequeme Ladestationen, an denen man nicht stundenlang verweilen muss und wo das „Auftanken“ nicht signifikant länger dauert als bei Autos mit Verbrennungsmotor.
Auch die großen internationalen Ölkonzerne rüsten sich für das neue Mobilitätszeitalter. BP beispielsweise rechnet bis 2040 mit über 12 Millionen Elektroautos auf britischen Straßen (2017 waren es noch 135.000). Als Reaktion auf diese Entwicklung übernahm der Weltkonzern den größten britischen Hersteller für elektrische Ladestationen: Chargemaster. Dieser betreibt über 6.500 Ladepunkte in seinem landesweiten Polar-Netz, darunter auch Schnelllader mit 150 kW, die Elektroautos in nur 10 Minuten genügend Strom liefern, um Strecken bis 150 km zu bewältigen.
Fastned mit der ersten 350-Kilowatt-Schnellladestation in Deutschland
Neben dem Betrieb der Ladeinfrastruktur entwickelt, fertigt, verkauft und wartet Chargemaster die Ladestationen auch. Zuvor verfügte BP über lediglich 70 Ladepunkte an seinen 1.200 Tankstellen in Großbritannien. Durch den Chargemaster-Deal wird dieser Bestand deutlich ausgebaut. Im Januar investierte BP zudem 5 Millionen US-Dollar in FreeWire Technologies, das mobile Schnellladesysteme für Elektroautos herstellt.
Um den Anschluss nicht zu verpassen, kaufte Shell zu Beginn des Jahres das Ladeunternehmen New Motion, welches insgesamt 30.000 Ladepunkte in ganz Europa betreibt. Zudem schloss sich der Konzern dem europaweiten Schnelllade-Netzwerk Ionity an. Derweil hat Fastned, ein niederländischer Entwickler von Ladetechnologie, in Deutschland seine erste 350-Kilowatt-Schnellladestation eingeweiht (die zum „Betanken“ von Elektroautos Energie aus Wind und Sonne nutzt). Diese Premiere bildet den Startschuss für einen Rollout an 1.000 Standorten auf dem gesamten Kontinent.
Die erste Schnellladestation, die sich an der A3 zwischen Dortmund und München befindet, verfügt über mehrere 350-kW-Ladegeräte, die für eine Ladung mit 100 km Reichweite je 20 Minuten benötigen. „In den kommenden Jahren werden deutsche Autohersteller wie Porsche, Audi, Volkswagen, BMW und Mercedes reine E-Modelle auf den Markt bringen, die mit einer hohen Leistung aufgeladen werden können. Das ist eine große Herausforderung und Chance für die Automobilindustrie und Ladeunternehmen“, so Bart Lubbers, Mitbegründer von Fastned.
Britische Regierung investiert 440 Millionen Pfund
Die bisher noch überschaubare Zahl an Schnellladepunkten reicht jedoch nicht aus. Laut einer Studie von Emu Analytics werden allein in Großbritannien voraussichtlich weitere 83.500 Ladepunkte benötigt, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Aktuell sind lediglich 16.500 Ladepunkte an 5.700 Standorten vorhanden; folglich ist eine Versechsfachung des Bestands nötig, um die 1 Million Elektroautos zu versorgen, die Prognosen zufolge bis 2020 in Betrieb sein werden.
Die britische Regierung investiert 440 Millionen Pfund in den Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Wer ein Haus baut, ist verpflichtet, einen Ladepunkt für Elektroautos zu errichten. Ein weiteres Thema sind die 43 Prozent der britischen Haushalte, die auf der Straße parken müssen. Hier soll der Energieversorger Ubitricity Abhilfe schaffen, der Laternenpfähle umrüstet, um in urbanen oder vorstädtischen Gebieten für ausreichend straßennahe Ladepunkte zu sorgen.
Urban Electric Networks, eine Ausgründung des Londoner Imperial College, das zu den renommiertesten Universitäten der Welt zählt, hat den nächsten Schritt gewagt und eine Ladeeinheit entwickelt, die aus dem Boden ausgefahren wird. Die auf den Namen „UEone“ getauften Geräte laden mit einer Leistung von bis zu 5,8 kW und können bei Nichtbenutzung im Untergrund verborgen werden, was die optischen Auswirkungen und die Beeinträchtigung von Fußgängern minimiert. In voll ausgefahrenem Zustand erreicht das Gerät die Standardhöhe, und dank des innovativen versenkbaren Designs von Duku beträgt die Installationstiefe lediglich 405 mm, was die Implementierungskosten reduziert und die Technologie für über 90 Prozent aller Wohnstraßen geeignet macht.
Die Problematik der unterschiedlichen Anschlusstypen
Mittels Energienachfragesteuerung können ganze Straßen zu einem bestimmten Zeitpunkt elektrifiziert werden. Dabei kommt dieselbe SmartCable-Technologie wie bei Ubitricity-Straßenleuchten zum Einsatz, um die Konnektivität zu verbessern. Jede der Ladestationen kann über eine App eingeschaltet und gesteuert werden. „Die bequemste, kostengünstigste und klimafreundlichste Art, ein Elektroauto über das Stromnetz aufzuladen, ist zuhause über Nacht. In einigen städtischen Wohngebieten steht diese Möglichkeit bis zu 85 Prozent der Haushalte nicht zur Verfügung, da sie auf der Straße parken – das ist ein schwerwiegendes Hindernis für die flächendeckende Einführung von Elektroautos“, so Olivier Freeling-Wilkinson, Mitbegründer von Urban Electric.
„Durch die von Grund auf vorgenommene Installation eines Überangebots an Pop-up-Ladepunkten in Wohnstraßen können wir für Anwohner den Zugang zu Ladepunkten in Parkzonen gewährleisten. Auf diese Weise können die lokalen Behörden den 11,6 Millionen Haushalten in Großbritannien den Umstieg auf emissionsfreies Fahren ermöglichen.“ Im Rahmen eines Pilotprojekts, das vor Kurzem in Oxford angelaufen ist, werden 100 dieser Ladestationen bis zum Ende des Jahres installiert.
Wie bei vielen technologischen Neuerungen sind aktuell noch verschiedene Standards im Umlauf. Tesla nutzt ein anderes Anschlusssystem als das weit verbreitete Combined Charging System (CCS), das wiederum in Abhängigkeit davon, ob es in den USA oder Europa zum Einsatz kommt, auf zwei unterschiedliche Arten an Steckverbindern (Typ 1 und Typ 2) zurückgreift und über Combo 1- und Combo 2-Steckverbinder über zwei besonders leistungsstarke DC-Kontakte zum Schnellladen verfügt. Unterschiedliche Standards sind auch in Japan (CHAdeMO) und China (GB/T) verbreitet, wodurch positive Skaleneffekte verhindert werden.
Darüber hinaus gibt es auch Systeme, die speziell auf das automatische Laden von Fahrzeugen ausgelegt sind. Ein in Österreich von einem Team der Technischen Universität Graz entwickeltes 350-kW-Schnellladesystem setzt Kameras sowie maschinelles Lernen ein, um die Position von Ladeanschlüssen robotergesteuert zu bestimmen. Das Team arbeitet eng mit BMW und dem Automobilzulieferer MAGNA Steyr Engineering zusammen, um ein Verbindungsdesign zu entwickeln, das sich eigenständig ausrichtet.
„Erstmals haben wir einen Weg gefunden, um mehrere Fahrzeuge automatisch nacheinander mithilfe einer Roboter-Ladestation zu laden, ohne hierfür die Fahrzeuge anpassen zu müssen“, erzählt Projektleiter Bernhard Walzel. „Der Roboter erkennt die Ladebuchse mittels ausgereifter Kameratechnologie und kann mehrere Elektrofahrzeuge nacheinander aufladen, nachdem sie in die Ladestation gefahren sind. Das bedeutet, dass das System auch dann noch funktioniert, wenn ein Fahrzeug nicht an exakt der richtigen Stelle parkt.“
Ausblick
Abschließend noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Das US-Unternehmen Delta arbeitet derzeit an der Entwicklung eines Ultraschnellladegeräts (XFC) mit 400 kW Ladeleistung. 10 Minuten Aufladen soll dabei bereits für eine Fahrstrecke von 250 km ausreichen. Das auf drei Jahre ausgelegte, 7 Millionen US-Dollar schwere Projekt wird vom US-Energieministerium finanziert und erfolgt unter Mitwirkung des globalen Automobilkonzerns General Motors. Der Plan lautet, Ladetechnik zu produzieren, die viermal kleiner ist als die aktuell auf dem Markt erhältlichen DC-Schnellladegeräte. Die ersten Prototypen sind für 2020 vorgesehen.
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* Mark Patrick ist als Supplier Marketing Manager für Mouser Electronics tätig.
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