Genfer Autosalon: Die Spannung kommt von innen
Auf dem 114. Genfer Autosalon führt an der Elektromobilität kein Weg mehr vorbei. Zwar sind noch nicht alle Ausstellungsstücke serienreif, doch spätestens 2020 werden die Verbraucher keine Ausreden mehr haben, wenn sie keine E-Fahrzeuge wollen. Das breite Angebot kommt.

Der Autosalon in Genf gibt traditionell seit 114 Jahren die Richtung vor, wohin sich die Autobranche im neuen Jahr entwickelt. Trends und Tendenzen werden Anfang März sichtbar – und manchmal zeigt sich auch, dass es eigentlich nichts Neues gibt. Das zumindest gilt für die diesjährige Auflage nicht. Die Elektromobilität ist allgegenwärtig, wenn auch noch nicht komplett serienreif. Doch das wird sich rasch ändern, machen die Lenker der Autokonzerne doch klar, dass sie die CO2-Ziele nur mit E-Autos schaffen werden – wenn denn die Kunden mitspielen, einsteigen und kaufen.
Gleichzeitig bleibt nicht verborgen, dass sich die Branche ändert. Etablierte Hersteller wie Ford, Opel, Jaguar, Land Rover oder Hyundai verzichten auf die Präsentationsplattform am Genfer See. Auch Infiniti und Cadillac fehlen nicht zum ersten Mal. Ebenfalls abgängig ist die PSA-Tochter DS, obwohl gerade die als laut Eigenwerbung „Marktführer für elektrifizierte Premium-SUVs“ prächtig ins Ausstellerfeld passen würde. Dort tummeln sich – auch das ist ein Trend – so illustre Kleinserien-Hersteller von Elektro-Hypersportwagen wie Piëch Automotive mit dem Mark Zero, Pininfarina mit dem Battista oder die kroatische Schmiede Rimac mit dem C-Two.
Trotz einiger Absagen hat der Genfer Autosalon seine Anziehungskraft wohl nicht verloren. Die freigewordenen Flächen sind umverteilt oder eben von den neuen Marken beansprucht. Erstmals stellt zum Beispiel der russische Staatskarossen-Hersteller Aurus am Genfer See aus. Überhaupt ist es die traditionell hohe Dichte an Exoten, die Jahr für Jahr die Besucher anlockt. Schließlich dürfte der Autosalon die wahrscheinlich einzige Gelegenheit sein, den Elektro-Flitzer Hispano Suiza Carmen oder das von Niels van Roij Design zum Kombi umgebaute Tesla Model S einmal live zu sehen. Viele der hier gezeigten Sonderlinge schaffen es trotz großer Pläne entweder nie über den Studien-Status hin aus oder werden in so homöopathischen Dosen gefertigt, dass eine Sichtung in freier Wildbahn quasi ausgeschlossen ist.
Piëch oder Polestar: Viel E statt V12
Ob das beim Piëch auch so ist, wird sich zeigen. Gemeint ist nicht der VW-Grande Ferdinand Piëch, sondern die neue Marke Piëch Automotive, mit der Sohn Anton durchstarten will. Eine ganze Modellfamilie ist geplant, zu sehen ist mit dem Mark Zero der erste Wurf – rein elektrisch natürlich und mit einer Wunderbatterie, die in knapp fünf Minuten fast voll sein soll. Die Machbarkeit solcher High-Tech-Visionen ist derzeit freilich noch mehr als fraglich.
Der Polestar 2 dagegen ist weit mehr als eine Fingerübung. Während Volvo mit Abwesenheit glänzt und gleichzeitig mit der Ankündigung, seine Autos zukünftig auf 180 km/h Höchstgeschwindigkeit zu limitieren zum Tagesgespräch auf der Messe wird, zeigt die noch junge Tochter eine kompakte Elektro-Limousine, die 500 Kilometer schaffen und für rund 40.000 Euro erhältlich sein soll – übrigens ausschließlich online.
Generell gilt in Genf: Der V12 steuert auf die Rente zu, Elektrifizierung ist mittlerweile normal. Vor allem werden nicht mehr nur ausgefallene Leuchtturm-Modelle oder hochpreisige Sportwagen unter Strom gesetzt, sondern die ganze Bandbreite alltagstauglicher Autos. BMW und Audi beispielsweise zeigen zahlreiche neue Steckdosen-Modelle, vom X3 bis zum A8. Die Ingolstädter verzichten – wie auch Kia mit E-Soul und dem gelifteten Niro – an ihrem Stand sogar ganz auf klassische Verbrenner.
Im Mittelpunkt steht bei Audi der Q4 E-Tron: Das kompakte, serinnahe E-SUV soll dem wohl noch Mitte März präsentierten Tesla Model Y schon vorab Paroli bieten. Seat gibt mit dem El Born einen Ausblick auf den ersten Stromer aus Spanien, der mit seinem luftigen Cockpit auch den Innenraum des VW ID Neo andeutet und Wolfsburg selbst zeigt mit dem ID Buggy eine weitere E-Vision – und natürlich den gelifteten Bulli T6, der zukünftig auch mit Stromantrieb erhältlich sein soll. Mit der Studie Vision iV stellt Skoda einen Elektro-Crossover aus, der fast als geschrumpftes Tesla Model X durchgehen könnte. Ganz klassisch wird dagegen der Skoda Kamiq angetrieben, das nach Kodiaq und Karoq dritte SUV der Tschechen.
Elektro in der Kompaktklasse
Mit gutem Beispiel geht Peugeot in der generell stark vertretenen Kleinwagen-Klasse voran: Der neue 208 debütiert nicht nur mit Verbrennern unter der Haube, sondern ganz selbstverständlich auch als E-208 mit 340 Kilometern Reichweite. Honda gibt sich besonders grün und will den „E“ sogar nur als Stromer bringen: Der kleine Viertürer ist die Weiterentwicklung der kultigen Retro-Studie Urban EV von der 2017er IAA und soll Ende des Jahres in Serie gehen.
Soviel Mut beweist Renault nicht: Zwar legt der französische Autobauer ebenfalls in der VW-Polo-Klasse nach und bringt eine neue Generation des Clio auf den Weg, die sich mit Spielereien wie einem digitalen Cockpit recht modern gibt. Doch der Franzose soll vorerst nur mit herkömmlichen Motoren kommen; 2020 folgt dann zumindest eine Hybrid-Version. Mildhybrid-Technik gibt es auf Benzinerseite auch im Mazda CX-30, mit dem die Japaner hierzulande in den SUV-Coupé-Markt einsteigen.
Zumindest ein bisschen Strom hat auch Mercedes dabei: Aus Stuttgart ist das überarbeitete Mittelklasse-SUV GLC nach Genf gerollt, das mit geglätteter Optik, frischen Assistenten und neuen Motoren punkten will; die neuen Vierzylinder-Benziner setzen auf 48-Volt-Unterstützung. Für den Lifestyle-Kombi CLA Shooting Brake, der ebenfalls seine Premiere feiert, sind die allerdings nicht vorgesehen.
Und tatsächlich, es gibt auch noch Hersteller, die so tun als hätten sie von Elektrifizierung noch gar nichts gehört: Der Ferrari 488-GTB-Nachfolger F8 Tributo darf mit einem 3,9-Liter-V8 unter der Haube weiterhin aus den Benzin-Vollen schöpfen, das 530 kW/720 PS starke Aggregat markiert sogar den bislang stärksten Achtender aus Modena. Beistand bekommen die Italiener von Porsche: Auch das neue 911 Cabrio gibt es zunächst nur als S-Modell mit 331 kW/450 PS, die ausschließlich aus verbranntem Benzin erzeugt werden.
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Die Highlights des Genfer Autosalons 2019
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