Autonomes Fahren studieren „Du willst die Mobilität von morgen gestalten? Hier bist Du richtig“
Ein neuer Studiengang soll eine bayerische Kleinstadt zum Zentrum des autonomen Fahrens in Deutschland machen. Wie er bei den Studierenden ankommt und was ihn so besonders macht – ein Erstsemester hat es uns erzählt.
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Wallfahrtskirche mit Zwiebelturm, Fachwerkhäuser mit Geranien unter den Fenstern und ein Dorfbrunnen mit Heiligenstatue – auf den ersten Blick unterscheidet Kronach in Oberfranken nichts von den Hunderten anderen verschlafenen Örtchen in Bayern. Erst wer sich im Industriegebiet der 17.500-Bewohner-starken Gemeinde umschaut, merkt: Hier sitzen einige der größten Automobilzulieferer Deutschlands. Egal ob Valeo, Dr. Schneider oder Woco – sie alle betreiben hier Werke.
Nur logisch scheint es da, dass die Hochschule Coburg jetzt auch einen neuen Masterstudiengang zum autonomen Fahren in Kronach anbietet. Zum Lernen und Tüfteln haben die Verantwortlichen den Studierenden extra einen kleinen Campus mitten im Ort angelegt. Was den Studiengang so einzigartig macht und wie ein Tag auf dem Kronacher Campus aussieht, darüber haben wir mit Othmane Megzari, einem der Erstsemester, gesprochen.
Othmane, seit März studierst Du „Autonomes Fahren“ in Kronach. Woher kommt Deine Begeisterung für's Automobil?
Definitiv von meinem Vater. Er hatte eine kleine Autowerkstatt, in der ich als Kind ab und zu selber mit anpacken und helfen durfte. Zusammen haben wir gebrochene Kurbelwellen repariert, Anhängerkupplungen nachgerüstet und so weiter. Damals habe ich Autos richtig lieben gelernt.
Dass Du später einmal in diese Richtung gehen möchtest, war also für Dich keine Frage mehr?
Das war gesetzt. Als ich 2014 aus meiner Heimat Marokko nach Deutschland kam, konnte ich aber noch nicht sofort mit dem Studium loslegen: Mein marokkanisches Abitur wurde hier nicht komplett anerkannt, also musste ich erst noch ein Studienkolleg besuchen. Mit meinem Abschluss in der Tasche ging es für mich dann aber sofort zum Bachelor-Studium Automobilmechatronik in Coburg.
Und wie hast du nach Deinem Bachelor vom Studiengang in Kronach erfahren?
Mein Bachelor-Studium war mir zu theoretisch, ich wollte mehr in die Praxis. Und als ich mich nach passenden Studiengängen umgeschaut habe, wurde zufällig genau da der neue Campus in Kronach gegründet. Drei Semester lang mit Forschungspartnern aus der Region an Prototypen zu bauen und zu tüfteln – das hat mich dann schon sehr gereizt. Also habe ich mich direkt beworben.
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Autonomes Fahren
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Inzwischen bist Du ja schon angenommen und mittendrin im Studium. An welchem Projekt arbeitest Du?
In meiner Gruppe, wir sind fünf Leute, beschäftigen wir uns mit Schilder-, Ampel- und Personenerkennung. Was menschliche Fahrer ohne große Mühe können, müssen autonome Fahrzeuge erst lernen: Unser Ziel ist es deshalb, einen Prototypen zu bauen, der seine Umgebung fehlerfrei erkennen kann. Sämtliches Equipment, zum Beispiel Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren, stellt uns der Automobilzulieferer Valeo.
Konntet Ihr trotz Corona schon im Team zusammenarbeiten?
Jein. Leider gab es bislang kaum Präsenzveranstaltungen, stattdessen virtuelle Meetings. Da ist es manchmal schon kniffelig, wenn Du mit Deinem Team einen Algorithmus schreibst und Simulationen durchführst und dabei nur eingeschränkt kommunizieren kannst. Jetzt, mit abflachenden Infektionszahlen, beginnt aber langsam wieder die Arbeit am Prototypen in Kronach.
Apropos Kronach: Wie macht sich der Ort denn so als Studentenstadt?
Überraschend gut! Zugegeben, bei einer Studentenstadt denkst Du nicht sofort an Kronach, allerdings wird hier gerade eine Menge hochgezogen: In den nächsten fünf Jahren sollen 60 Millionen Euro für Büros, Lehrräume und Co-Working-Plätze investiert werden. Zudem entstehen gerade einige neue Studentenwohnungen. Dazu kommt: Die Mieten in der Region sind relativ niedrig. Das ist definitiv ein Vorteil von Kronach.
Und wie sieht ein typischer Tag auf dem neuen Campus aus?
Zweimal in der Woche treffen wir uns schon früh morgens zum Jour Fixe im Team – Corona-bedingt leider meistens virtuell. Dort besprechen wir die wichtigsten Aufgaben und Fragen. Am Vormittag haben wir dann meistens Zeit, an unseren Prototypen zu arbeiten oder Vorlesungen. Besonders cool ist, dass die Professoren uns auch in der Praxiszeit begleiten und für Fragen zur Verfügung stehen.
Und nachmittags?
Da arbeiten die meisten von uns. Das ist eine gute Gelegenheit, schon mal Kontakte in der Branche zu knüpfen. Ich bin zum Beispiel als Werkstudent bei Brose.
Mancher Mobilitäts-Veränderer gilt nicht gerade als einfacher Charakter. Wie sieht euer Team aus und wie ist die Stimmung?
Nicht nur bei uns im Team, sondern im ganzen Studiengang herrscht eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Ich muss jetzt direkt auch ein bisschen schmunzeln, denn ich genieße das richtig. Auch zu den Professoren haben wir ein sehr entspanntes Verhältnis, wir duzen uns zum Beispiel auch. Außerdem sind wir sehr international aufgestellt – in meiner Arbeitsgruppe sind zum Beispiel eine Indonesierin, ein Inder, zwei Deutsche und ich als Marokkaner. Jeder hat einen ganz eigenen Blickwinkel auf das Projekt. Und wenn wir die alle zusammenbringen, macht das einfach großen Spaß.
Weißt Du denn schon, in welchem Bereich zu später einmal Mobilität mitgestalten willst?
Konkrete Vorstellungen habe ich gerade noch nicht. Erst mal will ich überall reinschnuppern. Zurzeit gibt es viele Aufgaben, die mir Spaß machen – angefangen beim Testing bis hin zur Arbeit mit den Sensoren zur Schilder- und Personenerkennung.
Welchen Tipp hast Du zum Schluss unseres Gesprächs für junge Leute, die sich überlegen, ebenfalls in Kronach zu studieren?
Eigentlich nur diesen: Wenn Du praxisorientiert arbeiten und die Mobilität von morgen mitgestalten willst, dann bist Du hier richtig. Der Austausch mit den Kommilitonen macht riesigen Spaß und in der Zusammenarbeit mit den Automobilzulieferern aus der Region wirst Du eine Menge lernen. Komm vorbei, schau es Dir an und bewirb Dich.
* Sebastian Hofmann ist Fachredakteur „Job & Karriere“ bei der Vogel Communications Group.
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