Neues Geschäftsmodell Wie ein zweifelnder Autohändler zum Elektro-Vorreiter wurde
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Franz Hirtreiter jun. führt einen großen Volkswagen-Markenhändler in Niederbayern. Von der E-Mobilität war der Chef von AVP Autoland lange nicht überzeugt. Was zu der Kehrtwende geführt hat und welche Schlüsse der Händler für sein Geschäft daraus zieht.

Als er am Steuer des Porsche Taycan saß, hatte es Franz Xaver Hirtreiter junior erwischt. „Ich habe lange gezweifelt, ob die Elektromobilität das Richtige ist“, sagt der Unternehmer. Doch einmal das Gaspedal des ersten E-Porsches durchgedrückt, das Drehmoment und die damit verbundene Beschleunigung gespürt – dann war Hirtreiter vor allem auch davon überzeugt, dass E-Mobilität Spaß machen kann.
Spaß – sowohl emotional als auch finanziell – soll das Thema auch dem Unternehmen des Niederbayern künftig bereiten. Franz Xaver Hirtreiter jun. ist Autohändler. Im Sommer hat er 50,1 Prozent der Firmenanteile an „AVP Autoland“ von seinem Vater Franz Xaver senior übernommen. An neun Standorten mit 16 Betrieben handelt die Gruppe mit Autos von VW, Audi, Skoda, Seat, Cupra und Porsche. Rund 800 Mitarbeiter zählt das Unternehmen. Knapp 11.000 Fahrzeuge verkauft AVP im Jahr und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von rund einer halben Milliarde Euro.
Auf das klassische Geschäft bauen die Niederbayern auch weiterhin, aber eben nicht allein: Denn seit Kurzem hat die Firma ein neues Baby mit dem Namen AVP E-Mobility. Dabei geht es den Niederbayern mit Hauptsitz im beschaulichen Plattling nahe Deggendorf nicht darum, einfach die eigenen Elektroautos in einer Gesellschaft zu bündeln. Im Gegenteil: die Autos an sich stehen dabei nicht im Vordergrund. Dürften sie wohl auch gar nicht, würden die einzelnen Hersteller und Importeure mit ihren eigenen Vorschriften solchen Plänen aller Voraussicht nach den Riegel vorschieben.
Als er selbst von der Antriebsform begeistert war, dachte sich Hirtreiter bald, dass es für den eigenen Betrieb nicht damit getan sein würde, schrittweise einfach nur Diesel und Benziner durch Stromer zu ersetzen. Denn dem Unternehmer ist auch klar: Mit der Antriebswende ändern sich auch im Vertrieb die Spielregeln. Die Hersteller ziehen zunehmend Geschäfte an sich selbst. Und im Werkstattgeschäft dürften die Erträge eher sinken, da Elektroautos weniger Servicebedarf haben als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Das E-Mobility-Team wächst
Es braucht also neue, zusätzliche Geschäftsmodelle. Im Oktober 2020 stand dann die Idee für die AVP E-Mobility. Inzwischen bietet der Händler ein Komplettpaket rund um die Elektromobilität. E-Scooter, E-Bikes, E-Motorroller, Wallboxen, Ladesäulen, Photovoltaik-Anlagen, Ladespeicher, Stromtarife, eine europaweit gültige Ladekarte – alles zählt zum Portfolio. Neben Kfz-Mechanikern arbeiten für AVP Autoland jetzt auch Elektriker. Statt mit CI-Richtlinien oder Bonus- und Margensystemen muss sich die Geschäftsführung um Franz Hirtreiter plötzlich auch mit Themen wie Lastenmanagement und Spannungstechnik befassen.
Dass es für Produkte und entsprechende Dienstleistungen über das Elektroauto hinaus Bedarf gibt, stellte Hirtreiter schnell fest, als er selbst auf ein E-Fahrzeug umgestiegen war. „Der Hersteller schult unsere Leute gut zu den Produkten. Mehr aber auch nicht“, sagt er. Einige seiner Fragen konnten ihm seine eigenen Mitarbeiter nicht beantworten. „So wird es dann vielen unserer Kunden auch gehen“, dachte sich der Firmenchef. Ein Zustand, der für ihn nicht infrage kam.
Aktuell kümmert sich bei AVP ein dreiköpfiges Team voll um die E-Mobility-Tochter, bald soll die Truppe um einen weiteren Elektriker wachsen. Denn die Nachfrage ist groß. Ohne bislang dafür geworben zu haben, hat der Händler nach eigenen Angaben allein mit Privatkunden seit Juli etwa 70.000 Euro Umsatz erzielt. Die Aufträge generierte die Gruppe über ihre Autoverkäufer und Empfehlungen. Gebremst wird AVP wenn überhaupt aktuell von der schwierigen Liefersituation bei Wallboxen und Co.
Eigener Showroom, eigener Online-Shop – ohne Auto
Bald dürfte noch mehr Arbeit auf die Einheit zukommen. Denn das Unternehmen plant eine größere Kampagne, um seine neuen Angebote bekannt zu machen. Außerdem hat AVP nun auch an seinem Hauptsitz in Plattling ein weiteres Pfund in der Hand: Am Donnerstagabend (16. September) eröffnete die Gruppe einen eigenen E-Mobility-Showroom. Darin gibt es keine Autos zu sehen, sondern alles rund um die Dienstleistungen der jüngsten Firmentochter. 400.000 Euro hat das Unternehmen Hirtreiter zufolge allein dafür in die Hand genommen. Und wen der Weg mal gerade nicht in die niederbayerische Provinz führt, findet alle Angebote der AVP E-Mobility auch im extra eingerichteten Online-Shop.
Mit der AVP E-Mobility haben wir jetzt eine große Chance, uns von Wettbewerbern abzusetzen. Und die wollen wir nutzen.
Abstrahlen soll das Engagement letztlich logischerweise dann doch auch auf die Elektroautos, von denen AVP Autoland als Volkswagen-Vertragspartner in den nächsten Jahren immer mehr im Portfolio haben wird. Schon jetzt sei man dabei stark unterwegs, sagt Firmenchef Hirtreiter. Im laufenden Jahr werde aller Voraussicht nach jeder fünfte verkaufte Neuwagen der Gruppe ein rein batteriebetriebenes Fahrzeug sein.
Franz Xaver Hirtreiter junior hat jedenfalls bei dem Thema Blut geleckt. „Mit der AVP E-Mobility haben wir jetzt eine große Chance, uns von Wettbewerbern abzusetzen“, sagt er. „Und die wollen wir nutzen.“
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