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Vom Umgang der Autoindustrie mit Leiterplattenherstellern
Vor einigen Tagen wurden zwei Leiterplattenwerke von Chin Poon in Taiwan durch ein Feuer zerstört. Mindestens sieben Menschen starben. Die Abnehmer in der Autoindustrie sind verunsichert. Aber was steckt dahinter?
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Die Globalisierung hat in den Geschäftsbeziehungen viele Veränderungen gebracht und durch die Jagd nach dem niedrigsten Preis wurden die Lieferketten länger und die Kontakte schwächer. Das persönliche Verhältnis zwischen Hersteller und Abnehmer reduziert sich heute nur noch auf Preisverhandlungen, und da gilt das Recht des Stärkeren.
Die technischen und qualitativen Anforderungen sind hoch und trotz weltweit mehr als 2.000 Leiterplattenherstellern ist die Zahl der für die Autoindustrie freigegebenen Lieferanten gering. Im Gegensatz dazu ist weltweit die Produktion von Halbleitern nur auf wenige Hersteller konzentriert, dort müssen Preissteigerungen akzeptiert werden, da es sonst keine Belieferung gibt.
Bei den Leiterplattenherstellern dagegen werden selbst nachweisbare Kostensteigerungen mit Hinweis auf bestehende Verträge zur Seite gewischt. Wenn allerdings z.B. Rohstoffpreise fallen, werden – trotz der bestehenden Verträge – sofortige Preisreduzierungen gefordert.
Preisverhandlungen werden durch Preisdiktate ersetzt
Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten in der Automobilindustrie. Da gilt auch der Begriff Preisverhandlungen nicht mehr, denn üblich sind Preisdiktate. Leiterplattenhersteller werden regelmäßig „eingeladen“ und auf solchen Treffen werden dann Preisnachlässe von „mindestens x %“ gefordert. Eigenartigerweise hält sich schon seit vielen Jahren in jeder Gesprächsrunde der geforderte Mindestsatz konstant bei 3%.
Diese Vorgehensweise ist deshalb so erfolgreich, weil die Automobilzulieferer zunächst bestrebt sind, einen wesentlichen Umsatzanteil beim jeweiligen Leiterplattenhersteller zu erreichen. Ist dies der Fall, werden die Daumenschrauben angesetzt, denn welches Unternehmen ist in der Lage, schlagartig auf 15, 20 oder 30% des Umsatzes zu verzichten? Wobei die Erfahrung zeigt, dass das angedrohte „De-Listing“ für den Abnehmer auch nicht so einfach ist.
Die bisherige Einkaufspolitik hat in den letzten Jahren verstärkt zu „Single-Sourcing“ geführt. Dies ist ein gutes Konzept, wenn es keine Probleme gibt – aber nur dann!
Der Anteil der Elektronik im Automobil steigt zwar langsam aber stetig (Bild1). Und dem-entsprechend nimmt auch der Bedarf an Leiterplatten zu (Bild 2). Damit erreicht der Bedarf der Autoindustrie etwa die Hälfte des Volumens von Smartphones. Die 10 größten Lieferanten haben am Gesamtbedarf der Autoindustrie einen Anteil von über 60%. Folgende Umsätze wurden Umsätze 2016 von den Top 10 erreicht (Quelle: NTI):
Feuer zerstört zwei Automotiv-Leiterplattenwerke in Taiwan
Vor einigen Tagen erwies sich die Politik des Single Sourcing allerdings als Nachteil: zwei Werke von Chin Poon in Taiwan wurden weitgehend durch ein Feuer zerstört, und mindestens sieben Menschen starben. Der Produktionsausfall soll zwar durch andere Werke des Unternehmens in China und Thailand aufgefangen werden, doch ist ein schneller Tausch der Standorte unwahrscheinlich, denn andere Produktionsstätten müssen entsprechend zertifiziert sein.
Zwar versuchte ein Unternehmenssprecher, die Betriebsunterbrechung herunterzuspielen, doch werden allein die bereits angekündigten behördlichen Untersuchungen mindestens zwei Monate dauern. Weil das Unternehmen in den letzten beiden Jahren mehrfach durch Missachtung gesetzlicher Vorgaben (Brand-, Arbeits- und Umweltschutz) aufgefallen ist, wurden nunmehr intensivere Untersuchungen aller Werke in Taiwan angeordnet. In den abgebrannten Werken wurden zudem illegal thailändische und vietnamesische Arbeiter beschäftigt, auch dies weitere Punkte, die Gegenstand von Untersuchungen sein werden.
Die taiwanesischen Behörden sind üblicherweise zwar recht großzügig in der Durchsetzung von Vorschriften – besonders dann, wenn es gilt, Produktionsstätten in Taiwan zu halten und die Wettbewerbsfähigkeit taiwanesischer Firmen durch niedrige Kosten zu fördern. Doch dieser erneute Zwischenfall (in dem Werk hat es bereits im Jahr 2000 schon einmal gebrannt) stieß auf breites öffentliches Interesse.
Auch asiatische Hersteller müssen realistisch kalkulieren
Ob die beiden Fabriken saniert werden können oder abgerissen werden müssen, wird sich erst nach den behördlichen Untersuchungen entscheiden. Es wird auf alle Fälle mindestens ein Jahr dauern, bis der Standort Taoyuan wieder lieferfähig ist.
Dieses Unglück sollte den Einkäufern zu denken geben, die ausschließlich auf den Preis achten. Auch asiatische Hersteller können nur begrenzt mit niedrigeren Kosten kalkulieren, und wenn Einsparungen nur zu Lasten der gesetzlichen Vorschriften möglich sind, sind Konsequenzen zu erwarten.
Sicherlich werden jetzt freigegebene Lieferanten „gebeten“ (um nicht zu sagen: bedrängt), die Versorgungslücke zu füllen. Das ist z.Z. – bei gut laufenden Geschäften und vollen Auftragsbüchern – sicherlich schwierig. Aber die Abnehmer sollten zumindest so fair sein, den helfenden Firmen kostendeckende Preise zu zahlen und nicht erwarten, dass in Europa asiatisches Preisniveau durchgesetzt werden muss. Denn sonst stellt sich die Frage: „Mit solchen Freunden, wer braucht dann noch Feinde?“
* Michael Gasch ist Marktexperte für Leiterplatten bei Data4PCB, info@data4pcb.com
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