Meanie statt Mini: Wolf im Schafspelz als handgefertigte Kleinserie

Redakteur: Benjamin Kirchbeck

Der Ur-Mini ist zurück und das kompromissloser denn je. Ein Schweizer Student hat den Zwerg in einer Kleinserie neu aufgelegt – mit dem Potenzial etlichen Sportwagen die kleinen Rückleuchten zu zeigen.

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Nur fünf Exemplare werden von dem 167 kW starken Meanie in Handarbeit gebaut.
Nur fünf Exemplare werden von dem 167 kW starken Meanie in Handarbeit gebaut.
(Bild: Meanie)

Ein neues Auto auf den Markt zu bringen ist kompliziert. Ein Schweizer Student hat es trotzdem gewagt und das Fahrzeug auf dem Genfer Autosalon präsentiert. Entstanden ist der gemeinste Mini überhaupt – und trägt folgerichtig auch den Namen Meanie („mean“, englisch für „gemein“).

Unterstützung von einem Mini-Importeur

Am Anfang stand 2012 die Bachelorarbeit des Maschinenbaustudenten Raffael Heierli. Diese lief unter dem sperrigen Titel “Strukturanalyse zur Konstruktion eines Mittelmotor-Sportwagens in Oldtimer-Optik, zulassungsfähig und in kleiner Serie umsetzbar”. Sein Fahrzeug der Wahl war ein Mini in einer Version der späteren 1990er-Jahre mit dicken Radläufen. Die Arbeit konnte überzeugen und Heierli erhielt sein Diplom.

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Zweck erfüllt? Ja, wäre da nicht der Traum gewesen, das nur auf Papier existente Auto auch zu bauen. Schon in einem frühen Stadium hatte Heierli den Unternehmer Walter Frey brieflich um Unterstützung angefragt. Dessen Emil Frey Gruppe hatte den Mini über Jahre hinweg importiert, der Patron selbst war auf einem Cooper S Rennen gefahren. Große Hoffnungen machte sich der heute 28-Jährige dennoch nicht. Doch schon zwei Tage später lag Freys Antwort auf seinem Schreibtisch. Der Student durfte sein Projekt inklusive Budget präsentieren – und erhielt grünes Licht! Der Unternehmer sicherte vertraglich die Übernahme der Materialkosten zu.

Der Prototyp entsteht

Ende 2013 nistete sich Heierli mit zwei Kommilitonen in einer Hinterhofwerkstatt ein. Vier Monate und rund tausend Arbeitsstunden später stand der Prototyp in British Racing Green auf den Rädern. Anstelle von Rücksitzbank und Kofferraum waren dem Meanie ein Mittelmotor sowie eine eigens konstruierte Abgasanlage eingepflanzt. Trotzdem könnte eingefleischten Mini-Fans das Herz bluten, weil für das Projekt ein Oldie dran geglaubt haben könnte. Heierli beruhigt: “Wir haben keinen Mini geopfert, denn die Rohkarosserie wurde von British Motor Heritage (BMH) auf Bestellung hin hergestellt.” Das 1975 gegründete Unternehmen hatte sämtliche Serienproduktionswerkzeuge erworben, nachdem die Herstellung des Minis nach exakt 5.387.822 Exemplaren eingestellt worden war.

Optik des Ur-Mini bleibt erhalten

Äußerlich sollte der Meanie sich nicht von einem Ur-Mini unterscheiden. Kühlergrill, Beleuchtung, Stoßstange, Außenspiegel, Scheiben und Scheibenwischer wurden als neu-alte Originalteile angeliefert. Doch unter dem schmucken Blechkleid ist so ziemlich alles neu. Die Teile wurden aus aller Welt bezogen oder eigens konstruiert. Etwa der durchzugsstarke Turbomotor oder der Rohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl, der die Heritage-Karosserie trägt. Auch die Vierkolben-Bremsanlage aus Aluminium vorne mit gelochten und innenbelüfteten 260-Millimeter-Bremsscheiben, die für eine adäquate Verzögerung sorgen oder die zwei Sportschalensitze mit Renngurten sind komplett neu. Verändert wurden ebenfalls die Kühlanlage sowie die extrem kurze Abgasanlage.

Immer wieder galt es dabei technische Probleme zu lösen: Was tun, damit sich der Motorraum nicht übermäßig aufheizt? Wie ließ sich der Lärm im Fahrzeuginnenraum auf ein erträgliches Niveau reduzieren? Beim Prototyp war also noch vieles Flickwerk. Trial and error. “Die Serienmodelle werden perfekt verarbeitet sein”, verspricht Raffael Heierli. “Very British, mit feinem Leder und Alcantara.”

40.000 Testkilometer

17 Wochen später stand der Prototyp fahrbereit auf Rädern. Als Zweisitzer und ohne Kofferraum. Dafür mit einem Mittelmotor, der das 847-Kilo-Leichtgewicht in sportliche Sphären katapultieren sollte. Nun musste der Meanie seine Alltagstauglichkeit beweisen. Heierli integrierte die Messinstrumenten und begann mit einem umfangreichen Testprogramm. Dafür wurden über 40.000 Kilometer abgespult. Auf Autobahnen und Rennstrecken, über Pässe und im städtischen Stop-and-Go. Der Sportwagen bestand alle Prüfungen zur vollsten Zufriedenheit seiner Erbauer. Er erwies sich nicht nur als kleine Rennsemmel, sondern zeigte sich im Alltagsverkehr als durchaus wohlerzogen. Zivilisiert, sicher und sauber. Einer der ersten Testfahrer war Walter Frey. Der ehemalige Rennfahrer war voll des Lobes über das Fahrverhalten des Meanie.

Und die Leistung? Zwischenzeitlich ergaben Messungen bis zu 270 PS und 460 Newtonmeter. Unerschrockene Rennprofis mit Bleifuß schafften damit 245 km/h. Das war Heierli dann doch zu viel des Guten. Die Leistung wurde auf 220 PS begrenzt, die Spitzengeschwindigkeit bei 200 km/h elektronisch abgeregelt. Jenseits dieser Marke wäre der sportliche Zwerg wegen des kurzen Radstandes kaum mehr beherrschbar. Tempo 100 wird übrigens in unter vier Sekunden erreicht.

Straßenzulassung und Kleinserien-Produktion

Eine behördliche Einzelabnahme oder Sondergenehmigung hätte gereicht, um mit dem Meanie auf öffentlichen Straßen zu fahren. Doch mit jedem Erfolg wächst auch der Ehrgeiz und so sollte es nicht beim Einzelstück bleiben. Der Unternehmer Walter Frey bot erneut seine Hilfe für den nächsten Schritt an: Die Produktion einer limitierten Auflage mit Zulassung als Neuwagen in ganz Europa. Hierfür wurden die Emil Frey Classics AG und Roos Engineering ins Projekt eingebunden. Beide Betriebe sollten zukünftig als Hersteller firmieren. Eine Zertifizierung in der Schweiz nach VTS-Norm (Verordnung über die technischen Anforderungen an Straßenfahrzeuge) wäre zu teuer und angesichts der weltfremden Vorschriften wohl auch aussichtslos gewesen. Deshalb entschloss man sich, die Straßenzulassung und die Kleinserien-Typengenehmigung in einem EU-Land zu beantragen.

18 Monate bis zur Straßenzulassung

Das Unterfangen entpuppte sich als wahre Herkulesaufgabe und zog sich 18 Monate hin. “Ich habe mich durch 17.000 Seiten Reglemente geackert”, erzählt Raffael Heierli. In einer kiloschweren Dokumentation beschrieb er den Meanie bis ins kleinste Detail, ebenso den Herstellungsprozess. Dazu musste eine Vielzahl von Tests absolviert werden. Es galt Abgas-, Lärm- und Sicherheitsvorschriften zu erfüllen. Für den Crashtest wurde ein Abbruch-Mini umgebaut und gegen die Wand gefahren. Auch Tests wie etwa zur elektromagnetischen Verträglichkeit und zu den Verdunstungsemissionen standen auf dem Programm. “Für einige Bauteile mussten wir neue Lösungen finden”, erklärt Heierli. Aber schließlich klappte es: Im Herbst 2016 erhielten die stolzen Meanie-Macher sowohl die Straßenzulassung für die EU (inkl. Schweiz), als auch die Genehmigung für die Produktion einer Kleinserie.

Nur fünf Fahrzeuge

Die EU-Kleinserien-Zertifizierung erlaubt die Herstellung von jährlich bis zu tausend Autos. Doch beim Meanie soll nach fünf Exemplaren Schluss sein. Alle fünf geplanten Exemplare sind bereits ausverkauft, zu deutlich sechsstelligen Preisen. Doch warum die Begrenzung auf fünf Fahrzeuge? Der Zwerg lässt sich in der Schweiz nicht rentabel produzieren. Zu hoch sind die Materialkosten, zu aufwändig die Konstruktion, zu viel Handarbeit im gesamten. Aber darum ging es beim Meanie-Projekt eh nie.

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