Klangkörper: Wie entsteht der typische Porsche-Sound?

Autor / Redakteur: Johannes Winterhagen / Benjamin Kirchbeck

Damit jeder Porsche wie ein Porsche klingt, komponieren Akustikexperten die richtige Melodie. Von aktuellen Boxermotoren bis hin zum rein elektrischen Antrieb der Zukunft – von wütend fauchend, über infernalisch brüllend, bis leise surrend: In Weissach werden individuelle Soundkonzepte entworfen.

Der Grundton eines Motors wird im Wesentlichen durch seine Zylinderzahl bestimmt. In einem Vierzylinder kommt es pro Kurbelwellenumdrehung zu zwei Zün­dungen. Akustisch dominiert damit zunächst die sogenannte zweite Motorordnung.
Der Grundton eines Motors wird im Wesentlichen durch seine Zylinderzahl bestimmt. In einem Vierzylinder kommt es pro Kurbelwellenumdrehung zu zwei Zün­dungen. Akustisch dominiert damit zunächst die sogenannte zweite Motorordnung.
(Bild: Porsche)

Ein Solist der Extraklasse betritt die Bühne. Die Stille im Raum ist vollkommen, als Zuhörer wagt man kaum zu atmen. Dann erhebt er die Stimme, beweist gleich zu Beginn Virtuosität durch ein, zwei Koloraturen, um dann mit leiser Bassstimme weitere Spannung aufzubauen. Ein paar Takte später beginnt das Crescendo, in dessen Verlauf die Stimme durch ein Orchester nahezu aller Tonlagen unterstützt wird. Vom Bass über den Tenor bis hin zum Sopran. Finale furioso mit unbändiger Kraft, Gänsehaut beim Zuhörer. Dann bricht die Aufnahme ab und Bernhard Pfäfflin lächelt. „Klasse, oder?“, fragt er.

Der kurze Track eines 911er-Solos zeigt wesentliche Merkmale, die jeder Porsche erfüllen muss: Der Klang ist nicht eindimensional, sondern umfasst ein breites Frequenzspektrum. Ein Charakterzug, der einen Porsche von brummelnden Amerikanern und zu Hysterie neigenden Italienern unterscheidet. Sowohl der Klang als auch die Lautstärke variieren mit der Last – also mit der Position des Gaspedals. „Damit schaffen wir für den Fahrer eine zusätzliche Orientierungsmöglichkeit“, erläutert Pfäfflin. Der 49-Jährige ist Entwicklungsleiter für Schwingungstechnik und Akustik, oder anders formuliert: Dr. Pfäfflin ist für den Porsche-Sound zuständig.

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Ein GT3 muss rocken

Dabei soll der Klang eines jeden Modells zum Charakter des Autos passen. Ein GT3 muss rocken, klar. Ganz wichtig für Pfäfflin: „Ein Auto muss nach der Leistung klingen, die drin ist.“ Kein synthetischer Pop also, sondern echte Musik von echten Instrumenten. Die Klangkörper freilich werden so abgemischt, dass sich in jedem Belastungszustand ein harmonisches Klangbild ergibt. Damit dies gelingt, reicht es für Pfäfflin nicht abzuwarten, bis die Fahrzeugingenieure und Motorenentwickler erste Prototypen bauen.

Das Streben nach gutem Klang beginnt weit früher. Wenn Antrieb und Auto sich noch im digitalen Schöpfungsprozess befinden, berechnet der Akustikspezialist Bernd Müller bereits unzählige Varianten von Abgasanlage und Schalldämpfern – genauer gesagt, die Auswirkungen unterschiedlicher Konstellationen auf den Sound des Wagens, denn Müller ist für die Gaswechselakustik bei Porsche verantwortlich. So entstehen Hunderte von Audiodateien. „Man kann dadurch ein Auto hören, bevor es als physikalischer, als realer Prototyp existiert“, fasst Müller das digitale Wunder ganz bildhaft zusammen.

Parameter für den perfekten Sound

Gemeinsam mit erfahrenen Kollegen destilliert er aus der Vielfalt der Möglichkeiten drei bis vier Alternativen. Varianten, die dem Vorstand präsentiert werden – und dort, das hat Müller erlebt, mit einer vergleichbaren Intensität diskutiert werden wie ein Designentwurf für die Außenhaut. Ist die Entscheidung gefallen, beginnt Müller mit der Spezifikation der Abgasanlage. Vom Rohrdurchmesser bis zu den Abmessungen des Schalldämpfers legt er die entscheidenden Parameter fest, die später für den perfekten Sound sorgen werden.

Für einen wie Müller, Herzblut-Akustiker seit zwei Jahrzehnten, wäre die Arbeit dann getan, wären da nicht die Antriebsentwickler im Hause, die immer wieder neue und wichtige Motoreninnovationen konzipieren. Die breit gefächerte Einführung von Turbomotoren, die ersten Vierzylinder seit vielen Jahren, Plug-in-Hybridfahrzeuge und künftig sogar eine rein batterieelektrisch betriebene Sport­limousine – das sind für Müller faszinierende Herausforderungen und für die Marke Porsche Schritte von großer Bedeutung.

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