Energiespeicher Alternative Batterien: Es muss nicht immer Lithium sein
80 Millionen Tonnen Lithium soll es weltweit geben. Mit der fortschreitenden Elektrifizierung schwinden die Bestände. Höchste Zeit also, nach Alternativen zu suchen.

Zwei Frauen stapfen durch eine unwirklich anmutende Mondlandschaft. „Die Menschen sehen nicht die Konsequenzen, sie sehen nur Energie“, merkt die ältere der beiden an. Der Name der Frau, die in einer Reportage der britischen Zeitschrift The Gurdian erwähnt wird, ist Sonya Ramos. Die Chilenin setzt sich als Aktivistin für die Atacama Wüste in Chile ein. Dort in der Erde liegen etwa 40 Prozent des weltweiten Lithiumvorkommens. Und da es ohne Lithium keine Lithium-Ionen-Batterien geben kann, ist die Atacama-Wüste in den Fokus vieler Industrien gerückt. Die Förderung von Lithium verändert auch das Ökosystem des Landstrichs und laut Ramos nicht zum Guten.
Während ich diesen Absatz schreibe, ist in einem anderen Fenster meines Browsers eine Internetseite geöffnet, die live anzeigt, wie viel Lithium seit Jahresbeginn schon verbraucht wurde. Es ist der 10. September 2021. Der Zähler steht bei 17.300 Tonnen. Der Lithium-Ertrag pro Jahr wird auf etwa 25.000 Tonnen geschätzt. Bedenkt man den Hype um Elektrofahrzeuge, werden die 25.000 Tonnen pro Jahr wahrscheinlich schnell erschöpft sein. Es braucht nachhaltigere Alternativlösungen. Bei Batterien gibt es unterschiedliche Ansätze, Alternativen zur „klassischen“ Li-Io-Zelle zu finden.
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Forschung
Hoffnung auf Feststoffbatterien wächst
Man sollte Nachhaltigkeit immer realistisch betrachten. Eine Idealvorstellung mag auf dem Papier funktionieren. Aber in der Realität braucht es meist Kompromisse. Bei Batterien ist das nicht anders. „Der Hochlauf von Batterien ist notwendig, um eine nachhaltige Energiewirtschaft zu etablieren. Selbst wenn die dafür verwendeten Material zunächst nicht vollständig nachhaltig und verwertbar sind. Im nächsten Schritt sollte dann das Ziel sein, die Materialien auch zirkulär zu nutzen.“, sagt Patrick Fellinger von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Die BAM konzentriert sich an ihrem Standort in Berlin auf die Erforschung alternativer Energiespeicher.
Lithium, Kobalt und Nickel reduzieren
Im Bereich der Materialien liegt trotzdem viel Potenzial. Das von der EU finanzierte Hydra-Projekt forscht in diese Richtung. Ein Ziel des Projekts ist es, seltene Metalle wie Kobalt und Lithium möglichst zu ersetzen. Oder zumindest deren Menge für die einzelne Batterie stark zu reduzieren. Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid (NMC) ist eine mögliche Material-Kombination. Der Anteil von Kobalt, der bei dieser Verbindung zum Einsatz kommt ist um einiges niedriger als bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Allerdings aus Sicherheitsaspekten nicht ganz unbedenklich.
Quasi eine Weiterentwicklung von NMC ist Lithium-Nickel-Mangan-Oxid (LNMO). Denn in LNMO kommt kein Kobalt vor. Der Lithium-Anteil ist relativ gering. Und auch der Nickel-Anteil ist niedriger als bei NMC. Nun ist Nickel nicht so selten wie Kobalt oder Lithium. Aber das könnte es werden. „Aus Nickel könnte das nächste Kobalt werden, was die Seltenheit angeht. Das wir sollten versuchen, das zu verhindern, bevor es eintritt“, meint Simon Clark, Forscher bei der Forschungsorganisation Sintef. Diese ist ebenfalls am Hydra-Projekt beteiligt. In LNMO ist mehr Mangan enthalten. Mangan ist mit einem Anteil von 0,095 Prozent an der Erdkruste das am dritthäufigsten vorkommende Übergangsmetall.
Batterien mit diesen Materialzusammensetzungen sind zwar nicht im eigentlichen Sinne nachhaltig. Aber sie schonen die Reserven seltener Ressourcen und basieren auf häufiger vorkommenden Elementen. Die perfekte Lösung ist das auch nicht. Aber es geht in die richtige Richtung.
Der aktuell vielleicht vielversprechendste Ansatz sind Batterien auf Natriumbasis. Dabei wird das seltene Lithium durch Natrium ersetzt. Die Natriumverfügbarkeit auf der Erde ist gut. Es ist das sechsthäufigste Element des Planeten. Warum werden Natrium-Batterien dann noch nicht in der Breite eingesetzt?
Mit Natrium zur nachhaltigeren E-Mobilität
Es gibt bereits solche Batterien. Allerdings fast ausschließlich für stationäre Anwendungen. Dabei geht es vorwiegend um die Speicherung von Energie und deren konstante Wiedergabe. Sie weisen eine Be- und Entladeeffizienz von über 90 Prozent auf. Zum Vergleich: Bleisäure-Batterien kommen auf etwa 70 Prozent. Vom Leistungsniveau liegen sie momentan im Bereich von Eisen-Phosphat-Batterien.
Im Mobilitätsbereich entdeckt man diese Art von Energiespeicher erst langsam für die eigenen Zwecke. Denn den gleichen Output wie traditionelle Lithium-Akkus erreichen weder die Eisen-Phosphat- noch die Natrium-Batterien. Für High-Performance-Anwendungen eignen sie sich nicht. Allerdings zeigt zum Beispiel E-Mobilitäts-Pionier Tesla Interesse an der Eisen-Phosphat-Batterie. Da das Leistungsniveau ähnlich, die Nachhaltigkeit und der Preis in Zukunft bei der Natrium-Batterie besser sein könnten, spricht nichts dagegen, warum diese Art von Akku nicht auch eingesetzt werden könnte.
Die Produktion sollte auch kein Problem sein. „Wir stellen die Natrium-Batterien auf den gleichen Produktionslinien er, wie die Lithium-Ionen-Batterien“, erzählt Hermann Schweizer von Faradion. Faradion verkauft bereits Natrium-Batterien für stationäre Anwendungen.
Der chinesische Akkuhersteller CATL sorgte im Juli 2021 für Aufsehen als das Unternehmen eine Natrium-Batterie für Mobilitätsanwendungen vorstellte. Die Batterie könne innerhalb von 15 Minuten bis auf 80 Prozent geladen werden und würde bei -20 °C noch 90 Prozent Leistung bringen. Zwar bringt auch diese Zelle noch nicht die Reichweite einer vergleichbaren Lithium-Batterie. Aber es ist ein weiterer Schritt hin zur nachhaltigeren Batterietechnik.
Ein weiterer Vorteil der CATL-Batterie ist das Kathodenmaterial. Hier setzt das Unternehmen auf „preußisch Weiß“. Dieses Material enthält Natrium, Eisen und eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung. Seltene Stoffe wie Kobalt, Nickel oder Lithium kommen nicht vor.
Die Anode besteht auch nicht aus Grafit, wie bei klassischen Li-Io-Akkus, sondern aus einer von CATL entwickelten Kohlenstoffverbindung. Das Grafit als Kathodenmaterial zu ersetzen, ist auch Gegenstand der Forschung und Entwicklung im Batteriebereich. Ein interessanter Ansatz dabei ist, das Grafit durch recycelten Kohlenstoff zu ersetzen. Wenn man diesen Kohlenstoff aus CO2 gewinnt, schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Ganz so einfach wie es klingt, ist es aber nicht. „Das Grafit, das als Kathodenmaterial eingesetzt wird, muss bestimmte chemische Eigenschaften haben. Es ist nicht ganz einfach industriellen Kohlenstoff in Batteriematerialien zu verarbeiten. In diese Richtung wird geforscht weiterhin geforscht“, sagt Clark. Der Forscher sieht mehr Potenzial in einer anderen Richtung. „Eine vielversprechende Lösung ist es, das benötigte Grafit zu reduzieren, indem man es mit Silizium mischt. Silizium kann theoretisch 20 mal mehr Ladung speichern als Grafit.“
Die Lithium-Ionen-Batterie wird nicht komplett verschwinden
Eines zeichnet sich bereits ab: Vermutlich wird sich nicht eine Batteriechemie als die „Eine“ durchsetzen. Unterschiedliche Anwendungen profitieren von verschiedenen Ansätzen. Auch um die klassische Li-Io-Batterie wird man nicht komplett herumkommen. Für Performance-Anwendungen im Automobilbereich bleibt sie möglicherweise alternativlos. Wichtig ist, wo es möglich ist, andere Wege zu gehen. Hier lautet die Devise: je nachhaltiger desto besser.
Das gilt nicht nur für den Energiespeicher selbst, sondern auch für dessen Herstellung. Selbst eine voll kompostierbare Batterie ist weniger nachhaltig, wenn die Produktionsanlage mit Kohlestrom läuft. Hier sind erneuerbar Energien die einzige Alternative.
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