Das Angebot an Plattformen nimmt zu. Wird es hier auch wieder eine Marktverengung geben? Und wer wird davon profitieren?
Auch hier gilt: Es werden vor allem Anbieter profitieren, die flexibel genug sind, um auf Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen rasch zu reagieren. Aufseiten der Plattformen werden sich Unternehmen durchsetzen, die in der Lage sind, die Bedürfnisse ihrer Nutzer zu verstehen und ihnen effiziente und komfortable Lösungen anbieten.
Zum anderen müssen die Anbieter von Mobilitätsplattformen die Probleme und Herausforderungen der Betreiber verstehen und sie unterstützen, ihre Profitabilität zu erhöhen. Die Profiteure werden dabei die Nutzenden von Mobilität sein, die immer bessere, flexiblere, bequemere und kostengünstigere Systeme zur Verfügung haben, um ihre Mobilitätsbedürfnisse abzudecken.
Mit steigenden Nutzungszahlen kommt es auch bei den Mobilitätsbetreibern zu einer Kosten- und Effizienzsteigerung – das Angebot von geteilter Mobilität wird dabei günstiger. So wiederum werden immer mehr Menschen bereit sein, auf ihr eigenes Fahrzeug zu verzichten. Das mindert auf lange Sicht gesehen Lärm- und Umweltbelastungen, fördert Lebensqualität und verbessert den Schutz von ökologischen Lebensräumen.
Wie wird sich die Entscheidung von Paris auf die (Scooter-)Sharing-Szene auswirken?
Das E-Scooter-Verbot in Paris oder auch die jüngsten Roller-Regelungen in Wien lassen ohne Weiteres die Frage zu, wie es allgemein um die Akzeptanz von Shared-Mobility-Angeboten steht. Auch in Deutschland werden seit einiger Zeit Stimmen immer lauter, die ein Verbot oder zumindest starke Einschränkungen von E-Rollern fordern. Das erweckt für den ein oder anderen da draußen sicherlich den Eindruck, dass die gesamte Branche am Ende ist. Das stimmt allerdings nicht.
Die Entscheidung der Einwohner von Paris stellt jedoch ohne Zweifel einen Wendepunkt dar. Es zeigt, dass das aktuelle geteilte urbane Mobilitätssystem verbessert werden muss. Der Druck wird größer, denn viele Anbieter müssen jetzt umso stärker daran arbeiten, dass die allgemeine Akzeptanz von Shared Mobility steigt.
Dadurch wird einmal mehr die Notwendigkeit bestärkt, geteilte Mobilitätsformen zu ermöglichen, die spontan verfügbar, bequem zugänglich und vor allem für alle Bürger sicher sind. Deutsche Städte und Gemeinden müssen sich überlegen, wie eine langfristige und sinnvolle Umsetzung geteilter Mobilität aussehen kann, die für alle Menschen in der Bevölkerung funktioniert: egal ob Nutzer oder Nicht-Nutzer von geteilter Mobilität.
Blickt man auf konkrete Auswirkungen, denke ich, dass es auf der einen Seite Marktbereinigungen geben wird – von Anbietern, die sich langfristig nicht durchsetzen können. Auf der anderen Seite wird es sicherlich bald die ein oder andere Unternehmensfusion geben. Marken, die einen guten Service haben, schließen sich zusammen, um ihr Produkt mit dem gemeinsamen Know-how noch besser zu machen. So gehen die Anbieter gestärkt und professioneller in die nächste Ära geteilter Mobilität.
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E-Scooter
Tier Mobility: Rechtliche Grundlage hier anders als in Paris
Hat Shared Mobility ein grundsätzliches Imageproblem?
Es lässt sich nicht leugnen, dass Shared Mobility mit einigen Herausforderungen und Vorbehalten zu kämpfen hat, die ihr Image beeinflussen. Bislang haben die Dienste ihr Potenzial als sichere, komfortable und jederzeit verfügbare Ergänzung zum öffentlichen Verkehr, zur Entlastung der Verkehrssituation in Ballungsräumen und zur Steigerung der Lebensqualität am Markt noch längst nicht voll entfaltet.
Diskutiert werden Sicherheitsbedenken, insbesondere im Zusammenhang mit Fahrsicherheit und Datenschutz, da Sharing-Dienste persönliche Daten der Nutzer sammeln, um Buchungen und Zahlungen abzuwickeln. Auch die Sicherheit der Fahrzeuge selbst ist ein wichtiges Thema. Die Nutzer wollen sicherstellen, dass die Fahrzeuge regelmäßig gewartet werden und in gutem Zustand sind, um Pannen oder technische Probleme während der Nutzung zu vermeiden. Zudem agiert Shared Mobility in einem sich rasch änderndem rechtlichen und regulatorischen Umfeld, was ebenso zu Unsicherheit führen kann – bei Nutzern und Nicht-Nutzern von Mobilität.
Es darf jedoch auch nicht vergessen werden, dass Shared Mobility im Moment noch ein „Minimum Viable Product“ ist. Wir werden noch einige Zeit brauchen, bis geteilte Mobilität tatsächlich einen signifikanten Beitrag leisten kann, auf das eigene Fahrzeug zu verzichten. Möchte man auf das eigene Auto verzichten, darf das kein Kompromiss in Sachen Komfort sein, gerade in Bezug auf die damit verbundenen Kosten, Verfügbarkeit, Bequemlichkeit, Sicherheit oder auch Nachhaltigkeit. Somit liegt es an uns allen, geteilte Mobilität so weit voranzutreiben, dass es ein Leichtes wird, auf das eigene Auto zu verzichten.
Warum haben die Carsharing-Angebote von Premiumanbietern wie BMW, Mercedes oder VW nicht funktioniert? Können die deutschen OEMs Carsharing einfach nicht oder sind sie Realisten?
Auch wenn wir hier Veränderungen in den Eigentümerstrukturen gesehen haben, so würde ich nicht sagen, dass die Carsharing-Angebote nicht funktioniert haben. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, geteilte Mobilität in Europa weiter voranzutreiben und werden sich meiner Ansicht nach auch weiterhin stark mit „neuer Mobilität“ auseinandersetzen.
In einem stark kompetitiven Markt haben wir letztendlich eine Strategieänderung und einige Großkonzerne konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen. Ohne Zweifel werden wir dabei jedoch auch weiterhin Kooperationen mit digitalen Anbietern von geteilter Mobilität sehen, wenn auch in anderer Form – das Potenzial ist einfach zu groß, um ignoriert zu werden.
Einer Analyse von McKinsey zufolge wird der weltweite Markt für Automobil-Software und -elektronik bis 2030 voraussichtlich 462 Milliarden US-Dollar erreichen. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 5,5 Prozent zwischen 2019 und 2030. Im Gegensatz dazu wird für den gesamten Automobilmarkt für PKW und leichte Nutzfahrzeuge im gleichen Zeitraum lediglich eine jährliche Wachstumsrate von 1 Prozent prognostiziert.
Welchen Herausforderungen müssen sich die verbleibenden Anbieter stellen?
Die entscheidenden Herausforderungen sind zunächst die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit: In vielen Fällen beginnt die Frustration mit nicht verfügbaren Fahrzeugen in der Nähe und erreicht ihren Höhepunkt, wenn das System ausfällt und die Nutzer minutenlang in der Warteschleife der Support-Hotline hängen, weil sich das Fahrzeug weder öffnen noch schließen lässt. Neben dem Preisaspekt, da eine Mischung aus ÖPNV und Shared Mobility als dauerhafte Lösung derzeit noch zu teuer ist, stellt auch der Zustand der Fahrzeuge eine Herausforderung dar.
Gleichzeitig ist es derzeit schwierig, Shared Mobility operativ profitabel zu betreiben. Erst wenn die neue Mobilität noch einfacher, bequemer und flexibler und damit eine echte Alternative zum eigenen Auto wird, werden mehr Menschen das Angebot nutzen. Je mehr Menschen geteilte Mobilität nutzen, desto stärker wirkt sich dies auf die Angebotspreise aus. So schließt sich der Kreis zum nächsten Level der neuen Mobilität.
GoUrban hat sich bereits früh von der eigenen Scooter-Flotte verabschiedet. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Richtig, wir haben auf dem Markt als Betreiber einer E-Moped Flotte begonnen und waren dabei einer der ersten Moped-Sharing-Anbieter weltweit. Wir haben schnell gelernt, dass es kein Betriebssystem gab, das unseren Anforderungen entsprach.
Zwei Jahre später, im Jahr 2018, konzentrierten wir uns auf die Technologie hinter der Benutzeroberfläche. Wir wollten ein modulares und offenes System schaffen, das Mobilitätsbetreibern hilft, ihre Rentabilität und operative Exzellenz zu optimieren und damit einen neuen Industriestandard zu setzen. Damit wollen wir die Mobilitätsprobleme unserer Zeit lösen und alle Fahrzeuge weltweit vernetzen, um sie für jeden nutzbar zu machen.
Stichwort Verkehrswende: Muss die Politik Sharing-Angebote stärker unterstützen?
Für den „perfekten“ Zustand von Mobilität braucht es ohne Zweifel Unterstützung von allen Seiten – von den Betreibern über Software-Anbieter – bis hin zu den Nutzenden von Mobilität. Daneben braucht es natürlich auch Unterstützung der Politik auf Bundesebene und von den Städten und Gemeinden.
In vielen Städten – insbesondere in urbanen Ballungszentren, wie etwa Berlin – leidet die Lebensqualität aufgrund überfüllter Straßen, Lärmbelastung und Umweltverschmutzung enorm. Diese Städte sind im Grunde dazu gezwungen, etwas dagegen zu tun. In Verbindung mit einem starken ÖPNV trägt geteilte Mobilität zu Verkehrsentlastungs- und Nachhaltigkeitseffekten bei und ermöglicht somit eine alternative städtische Flächennutzung.
Damit diese Effekte zum Tragen kommen, sind die Anbieter jedoch beispielsweise auf eine funktionierende E-Ladeinfrastruktur sowie Unterstützung in der Parkraumbewirtschaftung angewiesen. Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und den Status quo verbessern, wird die Akzeptanz gegenüber Shared-Mobility-Services steigen. Dieses Engagement schafft eine solide Basis für kommende Innovation.
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