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Nur die VW-Tochter Traton sucht ihr heil allein im Akku, weil sie auf lange Sicht einen unerreichbaren Kostenvorteil für den reinen Batteriebetrieb sieht. Berylls-Analyst Stumpp dagegen glaubt an eine dauerhafte Koexistenz, bei der sich die Verhältnisse je nach regionaler Verfügbarkeit von Strom oder Wasserstoff und dem Einsatzzweck der Fahrzeuge verschieben werden.
Tiefgekühlt statt gasförmig
Doch als wären zwei Entwicklungsstränge nicht schon aufwendig genug, macht Daimler die Sache noch komplizierter und fährt auch bei der Brennstoffzelle zweigleisig: Statt wie die Konkurrenz (und auch der Pkw) auf gasförmigen Wasserstoff zu setzen, favorisieren die Schwaben den Energieträger tiefgekühlt und deshalb flüssig.
Nur so biete er die nötige Energiedichte, um tatsächlich 1.000 Kilometer in den Tank zu packen, argumentiert Morlok. Und obwohl sie extrem gut isoliert sein müssten, seien die Tanks obendrein billiger als die Karbonzylinder, die es für gasförmigen Wasserstoff brauche.
Wobei die Kosten für ihn aktuell ohnehin noch so recht kein Thema sind. Denn wenn schon ein E-Actros gut 2,5-mal so teuer ist wie ein entsprechender Diesel, werde die Brennstoffzelle fürs Erste ganz sicher nicht billiger, räumt der Projektleiter ein.
Und es gibt noch ein Argument für die Tiefkühlkette, sagt Morlok: Wenn wir Diesel durch grüne Energieträger ersetzen wollen, werden wir ohnehin regenerativ erzeugten Wasserstoff aus Sonnen- oder Windrädchen Ländern importieren müssen, und sinnvoll importieren lässt sich Wasserstoff nur flüssig.
Fehlende Infrastruktur bremst Ausbreitung
Weil die Daimlers aber selbst am besten wissen, dass ihr Sonderweg ein steiniger werden könnte und weil es der Brennstoffzelle egal ist, ob im Tank nun flüssiger oder gasförmiger Wasserstoff lagert, sind die Schwaben mit zwei unterschiedlichen Actros rund um den Brenner unterwegs: Einer hat 18 Kilo Gas in seinen Tanks, und Kauffmanns Actros fährt mit zweimal 40 Kilo flüssigem Wasserstoff bei minus 253 Grad.
Während der Actros mit Gas-Kartuschen nach jeder Runde wieder an die Zapfsäule muss, fährt Kauffmann mit seinem Tiefkühl-Tank mehrfach auf den Brenner und wieder zurück – erst recht, wenn es endlich mal läuft auf der A13 und er auf dem Weg runter entsprechend viel Energie rekuperieren und zurück in die Pufferbatterie speisen kann.
Dass der Versuchsfahrer jetzt trotzdem wieder heim ins Werk muss, hat deshalb keinen technischen Grund, sondern einen praktischen: Es gibt für seinen Truck schlicht keine andere Tankstelle. Denn egal ob Batterie oder Brennstoffzelle – die Industrie, so erwartet es Marktbeobachter Stumpp, werde die Technik in der zweiten Hälfte der Dekade zur Serienreife bringen.
Doch dass die Infrastruktur im gleichen Tempo mitwächst, das hält er – auch nach den Erfahrungen mit dem Pkw – für unwahrscheinlich. Erst recht, weil die Nutzfahrzeuge kaum profitieren können vom Auto-Netz. Die Ladesäulen haben zu wenig Leistung und können von den großen Lastern oft nicht einmal angefahren werden. Und wenn es überhaupt schon irgendwo Wasserstoff zu tanken gibt, dann hat der 350 statt 700 bar, von flüssiger Bereitstellung ganz zu schweigen.
„Über kurz oder lang wird es genau wie im Pkw auch im Lastwagen keinen Diesel mehr geben“
Sonderlich euphorisch ist Stumpp deshalb nicht beim Blick aufs grüne Gütergewerbe. Im Gegenteil, er sieht er auf kurze Sicht zum Diesel gerade im Fernverkehr noch keine Alternative. Doch mittelfristig werden sowohl batterieelektrische Fahrzeuge als auch Brennstoffzellen zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist der Experte überzeugt.
Und je weiter er vorausschaut, desto heller wird seine Mine: „Über kurz oder lang wird es genau wie im Pkw auch im Lastwagen keinen Diesel mehr geben – weil er entweder ganz verboten oder schlicht nicht mehr bezahlbar ist.
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