Prüfschritte in der Fertigung – Wie intelligente Ladekabel und Wallboxen getestet werden

Autor / Redakteur: Christian Korreng* / Benjamin Kirchbeck |

Um E-Autos an haushaltsüblichen Steckdosen laden zu können, liefern diverse Hersteller neben der Wallbox auch intelligente Ladekabel (ICCB) mit integrierter Sicherheits- und Steuerelektronik mit. Die kombinierte Funktion als Sicherheitseinrichtung im Leistungsstrang sowie diverse Komfort- und Bedienfunktionen in der Steuerelektronik stellt jedoch breite Anforderungen an die eingesetzten Testsysteme.

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Da nicht jederzeit öffentliche Ladestationen vor der Haustüre zur Verfügung stehen, werden zu Hause private Ladestationen, sogenannte Wallboxen, benötigt.
Da nicht jederzeit öffentliche Ladestationen vor der Haustüre zur Verfügung stehen, werden zu Hause private Ladestationen, sogenannte Wallboxen, benötigt.
(Bild: Hersteller)

In typische Ladekabel eines Elektrofahrzeuges ist eine kleine In-Kabel-Kontrollbox (englisch: ICCB In-Cable Control Box) integriert. Die Sicherheits- und Kontrollfunktionen, die normalerweise in den typischen „Stromtankstellen“ oder „Wallboxen“ integriert sind, übernimmt nun die kleine Elektronik im Ladekabel.

Die Norm IEC 61851-1 unterscheidet vier Lademodi für Elektrofahrzeuge. Für den Lademodus Nr. 2 ist das eigentliche AC-Ladegerät im Fahrzeug verbaut. Somit kann das Fahrzeug über einen klassischen Schukostecker 1-phasig und über einen klassischen CEE-Stecker 3-phasig geladen werden. Hierzu wird im Kabel eine solche Kontrollbox mit Sicherheitsfunktionen benötigt. Ebenfalls übernimmt sie die Kommunikation mit dem Fahrzeug. Diese erfolgt z.B. durch Widerstandskodierung und Pulsweitenmodulation über einen speziellen Pilotkontakt (Control Pilot) im Stecker (SAE J1772).

Hierüber kommuniziert das Fahrzeug seinen aktuellen Ladezustand. Die Kontrollbox kann ebenfalls mitteilen an welchen Typ Stromnetz das Fahrzeug zur AC-Ladung angeschlossen ist und welcher maximale Strom zur Verfügung steht bzw. zum Laden genutzt werden soll. Eine besonders wichtige Funktion für die elektrische Sicherheit beim Laden an Steckdosen ist der allstromsensitive Fehlerstromschutzschalter (RCD bzw. FI), der im Fehlerfall vor Stromunfällen schützt. Neue, moderne Funktionen wie z.B. die Kommunikation mit Smart-Home-Funktionen oder Handy-Apps sind ebenfalls denkbar.

So könnte man den Ladezustand sowie die Ladekosten mit dem Handy überwachen und die Ladung automatisch starten, wenn die Solarkollektoren zu Hause dank intensiver Sonneneinstrahlung ausreichend Strom produzieren, um das eigene Auto aufzuladen. Hierzu gibt es am Markt z.B. ICCB bzw. Wallboxen mit Funkschnittstellen wie WLAN und Bluetooth. Doch Ion der Produktion einer solchen ICCB müssen alle Funktionen getestet werden.

Funktionstest in der Produktion

Im Grunde besteht eine ICCB aus zwei funktionellen Einheiten: Ein Modul für den Leistungszweig, das die Sicherheitsschaltungen wie z.B. den FI-Schutz beinhaltet und einem zweiten, welches die Bedien- und Steuerelektronik sowie die Kommunikationsschnittstellen enthält.

Um die Summenfehler in der Produktion zu reduzieren, bietet es sich an, beide Module vor der Endmontage getrennt voneinander zu testen. Nach der Endmontage der beiden Module ins Gehäuse durchläuft die Baugruppe einen Isolationstest mit Hochspannung. Dabei werden alle Anschlüsse gegeneinander, sowie die Auslöseschwelle des AC/DC FI-Schutzes, geprüft.

Um den tatsächlichen Betrieb unter Last zu prüfen, wird ein Leistungsprüfsystem mit einer Netznachbildung als Quelle und einer elektronischen, rückspeisefähigen Last als Senke eingesetzt. Durch diese Kombination kann man problemlos Leistungen >30kW ohne übermäßige Erwärmung der Fertigungsumgebung bei verschiedenen Spannungen und Netzfrequenzen testen. Ein 3-phasiges Laden entspricht im Betriebsalltag einer Ladeleistung von ca. 22kW. Am Ende der Linie wird die Baugruppe mit der finalen Firmware Version bespielt und ein EOL (End-of-Line) Testsystem prüft nochmals alle relevanten Produkteigenschaften.

Die Steuerung der unterschiedlichen Stationen in der Produktionslinie – darunter auch die Prüfstationen - erfolgt üblicherweise durch einen Linienleitrechner. Er stellt allen Stationen die benötigten Informationen zum aktuell produzierten Produkt bereit. Relevante Daten für den Test sind immer der aktuelle Produkttyp, die Variante und die Seriennummer. Anhand dieser Daten kann der Prüfling eindeutig identifiziert werden, um den zugehörigen Testablauf zu laden, auszuführen und das Prüfergebnis an den Leitrechner zurückzumelden. Dies ermöglicht Prozessverriegelungen, sodass Baugruppen, die den Test nicht bestanden haben, in weiteren Prozessschritten, z.B. in der Gehäusemontage, überhaupt nicht weiter verarbeitet werden können.

Die Prüfdaten der Einzeltests werden zusammen mit Informationen wie Testsystem, Produktionsstandort, Datum, Uhrzeit, Art des Tests, Stand der Testspezifikation, Limits und natürlich den einzelnen Prüfergebnissen in einer relationalen SQL Datenbank gespeichert. Dies gewährleistet eine durchgängige Rückverfolgbarkeit in der Produktion. Durch Auswertung der Prüfdaten können statistische Kenngrößen wie Prozessfähigkeiten und ebenfalls kontinuierliche Prozessüberwachung erfolgen.

Testsystem zur Prüfung von Steuerbaugruppen mit unterschiedlichen Funktionen

Denkt man an aktuelle Mobiltelefone, wird klar, dass moderne Baugruppen zur Steuerung und Bedienung viele zu testende Eigenschaften aufweisen können: Nahezu jede elektronische Baugruppe beinhaltet diverse DC-Versorgungsspannungen für unterschiedliche Logikpegel (1.8V, 3.3V, 5V, …). Ebenfalls gibt es zahlreiche analoge und digitale Ein- und Ausgänge in den Schaltungen, die mit Prüfnadeln oder verschleißarmen Steckernachbildungen an der Baugruppe kontaktiert werden können. Durch den Einsatz von Schaltmatrizen können diverse Messinstrumente wie Digitalmultimeter, Signalgeneratoren, A/D bzw. D/A Konverter und alle weiteren benötigten Instrumente flexibel, auf die zu messenden Testpunkte, geschaltet werden.

Abb. 1: Testsystem mit ausgebauter RF-Schublade für den Test von Steuerbaugruppen mit vielen Funktionen.
Abb. 1: Testsystem mit ausgebauter RF-Schublade für den Test von Steuerbaugruppen mit vielen Funktionen.
(Bild: LXinstruments)

Wurden in der Vergangenheit üblicherweise einfache Drucktaster und LED-Anzeigen in den Produkten eingesetzt, beinhalten moderne Steuerkomponenten zunehmend kapazitive Touch-Displays. Dieser Trend ist bei allen Baugruppen zu beobachten, deren Aufgabe die Interaktion mit dem Bediener ist. Der pixelgenaue Test des Displays benötigt teilweise mehrere Kameras und spezielle Testbilder, die während des Tests angezeigt werden müssen. Um Reflexionen und Fremdlichteinflüsse auszuschließen, muss der Test in einer abgedunkelten Testzelle erfolgen. Die Touch-Funktion wird mit speziellen Finger-Nachbildungen geprüft, welche pneumatisch ein- und ausklappbar sind.

Der Test von Funkschnittstellen wie z.B. Bluetooth oder WLAN, erfordert eine RF-Abschirmung und eine Koppelantenne im geschirmten Prüfraum.

Für solche kombinierten Anforderungen eignen sich spezielle RF-geschirmte Prüfschubladen, die im unteren Bereich eine Prüflingsaufnahme mit Kontaktnadeln und im oberen ein Kamerasystem und Touch-Finger sowie Koppelantennen beinhalten können.

Abb. 2: Individueller Ausbau einer RF-Prüfschublade.
Abb. 2: Individueller Ausbau einer RF-Prüfschublade.
(Bild: LXinstruments)

Isolations- und FI-Test

Nach Endmontage der Leistungs- und Steuerbaugruppe in das Gehäuse wird ein elektrischer Sicherheits- und Leistungstest durchgeführt. Um die Isolation aller Kontakte zueinander zu verifizieren, wird Hochspannung >2kV der Reihe nach an alle Kontakte angelegt und der Leckstrom überwacht. Unterschieden werden hierbei die reine Hochspannungsmessung, auch Hi-Pot genannt, und die Isolationswiderstandsmessung. Da ein 3-phasiger Prüfling 5 Kontakte zur Netzseite und 5 Kontakte zur Fahrzeugseite (L1-L3, N, PE) beinhaltet und ebenfalls die Isolation über den FI-Trennkontakt geprüft werden sollte, wird im Prüfsystem ein entsprechend flexibler Multiplexer für Hochspannung benötigt.

Als zweiter Teil der Prüfung wird die Auslöseschwelle des allstromsensitiven Fehlerstromschutzschalters (RCD Typ B) durch schrittweises Erhöhen des Fehlerstroms am Leistungsteil der Baugruppe verifiziert. Zum Schutz des Bedienpersonals bei Prüfungen mit Hochspannung wird gemäß EN50191 ein zwangsläufiger Berührschutz benötigt, der beispielsweise durch eine Tunnelstrecke mit Sicherheitsschotts in einer Produktionslinie realisiert werden kann.

Prüfung der Baugruppe unter realen Leistungsbedingungen

Um die Baugruppe unter möglichst realen Bedingungen zu testen, wird eine 3-phasige Netznachbildung benötigt. Je nach Testumfang können hier z.B. Leistungsquellen zum Einsatz kommen, die flexible Szenarien im 1- und 3-Phasenbetrieb bei unterschiedlichen Netzfrequenzen erlauben z.B. 50Hz / 60Hz. Häufig werden Tests bei etwas erhöhter Netzspannung durchgeführt. Um eine entsprechende Leistungsreserve bei einer nominalen Ladeleistung von 22kW vorzusehen, bieten sich 30kW Quellen und Senkensysteme ideal für den Test an. Um aufwändige (Wasser-)kühlungen und unnötige Wärmeabfuhr zu vermeiden, werden für diesen Test bevorzugt Lasten mit Netzrückspeisung eingesetzt.

Abb. 3: Testsystem zur Leistungs- und Kommunikationsprüfung.
Abb. 3: Testsystem zur Leistungs- und Kommunikationsprüfung.
(Bild: LXinstruments)

Im realen Einsatz schaltet eine ICCB den Ladevorgang nur dann frei, wenn durch die Widerstandskodierung des Fahrzeugs signalisiert wird, dass der Ladestecker eingesteckt ist. Für die Prüfung der Baugruppe übernimmt das Testsystem ebenfalls die Simulation des Fahrzeugs und die Verifikation des PWM-Signals.

Kompletter Funktionstest am Ende der Linie - EOL

Um sicherzustellen, dass die komplette Baugruppe auch im vollständig eingebauten Zustand funktioniert, wird die Baugruppe am EOL-Prüfplatz nochmals komplett an den Außenschnittstellen und Bedienelementen getestet. Häufig wird zu Beginn des EOL auch die finale Firmware auf die Prüflinge geladen, um den Test tatsächlich im versandfertigen Zustand testen zu können.

Einheitliche Software für alle Prüfsysteme

Durch den Einsatz kommerziell verfügbarer Testsequenzer entstehen viele Vorteile: Durch die weite Verbreitung dieser Testsequenzer wird eine hohe Akzeptanz an verschiedenen globalen Produktionsstandorten erreicht, da das Erstellen und Editieren von Prüfsequenzen in einem quasi Industriestandard erfolgt. Ebenfalls können Bibliotheken und Testschritte, die einmal erstellt wurden, in weiteren Systemen wiederverwendet werden. Eine vom Sequenzer unabhängige Bedienoberfläche TSCOE von LXinstruments, auf der die Landessprache des Bedienpersonals eingestellt werden kann, ermöglicht ein einheitliches Design und immer gleiches Aussehen der Softwareoberfläche auf allen Testsystemen. Durch kundenspezifische Plugins erweitert diese Software den Testsequenzer individuell um Funktionen wie die Kommunikation mit dem Leitrechner und den mechanischen Handlingsystemen in der Produktionslinie.

Zur optimalen Nutzung und Auswertung der Prüfergebnisse speichert TSCOE alle Daten in einer relationalen SQL Datenbank. Somit sind Einzelreports, Fähigkeitsanalysen und Trendcharts schnell und einfach zu erstellen.

Über LXinstruments

LXinstruments hat jahrelange Erfahrung im Bereich von elektrischen Funktions- und Sicherheitstests. Durch diverse Projekte rund um das Energiemanagement an Satelliten existiert umfangreiches Know-How für große elektrische Ströme und Leistungen. Ergänzt durch eigene Softwarelösungen und Partner für die mechanische Kontaktierung bietet LXinstruments komplette Turn-Key Solutions für den Test von Produkten aus dem Emobility Bereich an.

* Christian Korreng arbeitet als Director of Sales bei LXinstruments GmbH

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