Interview zur Urban Air Mobility – Eine Ergänzung zu heutigen Verkehrskonzepten?
Im bayerischen Donauwörth arbeitet Airbus Helicopters an einer revolutionären Lösung. Das Ziel: den Stau einfach überfliegen. Wie das aussehen könnte, erläutert Dr. Andreas Thellmann, Program Manager Urban Mobility bei Airbus.
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Weltweit leben heute 55 Prozent der rund 7,6 Milliarden Menschen in urbanen Regionen – Tendenz steigend. In Deutschland ist der Anteil der Stadtbewohner besonders hoch. Aktuell liegt er bei rund 75 Prozent, im Jahr 2050 voraussichtlich sogar bei 84 Prozent. Verbunden damit sind große Herausforderungen bei Verkehr und Emissionen. Damit Städte weiterhin lebenswert bleiben, sind Alternativen zu heutigen Verkehrskonzepten gefragt. Jennifer Reinz-Zettler, Mobilitätsexpertin bei Bayern Innovativ, hat mit Dr. Andreas Thellmann von Airbus gesprochen.
Urban Air Mobility (UAM) wird als Ergänzung zum Transport auf den überfüllten Verkehrswegen der Metropolen gesehen. Was steckt dahinter?
Dr. Andreas Thellmann: Urban Air Mobility ist mehr als nur eine neue Art von Luftfahrzeug. Es ist eine neue Art und Weise, den innerstädtischen Verkehr zu organisieren, indem die dritte Dimension als zusätzliches Element hinzukommt. Dafür brauchen wir nicht nur innovative Vehikel, sondern auch ein neues Verkehrsmanagement-System, das den städtischen Luftverkehr sicher organisiert und in die bestehende Infrastruktur am Boden integriert.
Was könnte mit den neuen Flugtaxis alles transportiert werden?
Dr. Andreas Thellmann: UAM ist kein Luxus, sondern soll möglichst vielen Menschen einen möglichst großen Nutzen bringen. Wir gehen davon aus, dass Flugtaxis Passagiere auf festen Routen zu wichtigen Zielen transportieren werden, etwa zwischen Flughafen und Stadtzentrum. Derartige Luftfahrzeuge können auch für den Krankentransport oder für Frachtflüge eingesetzt werden. Kleinere Drohnen können besonders eilige Güter, wie Medizin oder menschliche Organe, direkt zum Empfänger bringen. Alle diese Vehikel werden senkrecht starten und landen und über elektrische oder hybride Antriebe verfügen. Sie werden zudem erheblich leiser sein als turbinengetriebene Hubschrauber.
Wie sieht es mit der Infrastruktur konkret aus?
Dr. Andreas Thellmann: Die Vorstellung vom „fliegenden Auto“, das im Stau einfach abhebt und davonfliegt, ist heute noch unrealistisch und zudem rechtlich gesehen unmöglich. Das Flugtaxi wird auch nicht vor der Haustür landen können. Für Urban Air Mobility werden wir Start- und Landeplätze brauchen, wo Passagiere oder Fracht aufgenommen und ausgeladen werden. An Bord der Luftfahrzeuge und im städtischen Raum werden Anti-Kollisions-Systeme dafür sorgen, dass die Flüge mit höchster Präzision vonstattengehen. Die Kosten für ein solches System dürften zudem weit unter denen für den Bau neuer U-Bahn-Tunnel Tunnel liegen.
Welche Herausforderungen gibt es?
Dr. Andreas Thellmann: Die Herausforderungen sind vielfältig. Dabei gehört die Entwicklung eines Luftfahrzeugs für einen Konzern wie Airbus eher noch zu den geübten Seiten. Ein Regelwerk für die Zulassung von neuartigen Luftfahrzeugen, die autonom und elektrisch fliegen, muss erst noch entwickelt werden. Das Gleiche gilt für die Normen für den Luftverkehr im städtischen Raum. Wir sind bereits mit den zuständigen Behörden im Gespräch, um den Dialog über ein solches Regelwerk voranzubringen. Als Unternehmen, das seit Jahrzehnten Luftfahrzeuge entwickelt und zur Zertifizierung bringt, sind wir mit dieser Seite des Themas vertraut. Wichtig ist aber auch die soziale Akzeptanz von UAM. Wir arbeiten deshalb an Lösungen, die im Serienbetrieb die Kosten einer herkömmlichen Auto Taxifahrt nicht überschreiten sollen. Wenn die Menschen merken, dass es hier nicht um ein Spielzeug für Reiche geht, sondern um neue Formen des Transports, die grundsätzlich jedem offenstehen, dann wird UAM kein Fremdkörper in der Stadt sein. Auch aus Gründen der Akzeptanz muss so ein System möglichst leise und emissionsfrei funktionieren.
Stichwort Smart Mobility Services: Wie kann Urban Air Mobility mit anderen Verkehrsträgern, wie bspw. dem Öffentlichen Nahverkehr, zusammenspielen?
Dr. Andreas Thellmann: „Smart“ ist UAM nur dann, wenn sich die Air Mobility nahtlos in bestehende Systeme eingliedert und diese ergänzt. Da die Luftfahrzeuge nicht überall starten und landen können, spielt eine gute Anbindung an öffentliche Transportmittel eine wichtige Rolle für den Erfolg.
Gibt es schon Länder, die Urban Air Mobility erfolgreich ausgerollt haben?
Dr. Andreas Thellmann: Derzeit gibt es noch nirgendwo auf der Welt ein bestehendes städtisches Lufttransportsystem mit autonom fliegenden Luftfahrzeugen, aber vielerorts bereitet man sich darauf vor. Wir gehen davon aus, dass vor allem in Asian und dem mittleren Osten schon bald Pilotprojekte laufen werden. Auch in Europa arbeiten viele Städte und Regionen daran, Urban Air Mobility zu erschließen. In Deutschland gehört unter anderem Ingolstadt dazu. Airbus gehört zu den Partnern, die Machbarkeitsstudien durchführen werden.
Wann und wo sehen wir die ersten autonomen Flugtaxis, die Menschen in Städten transportieren?
Dr. Andreas Thellmann: Das hängt davon ab, wie schnell das nötige Regelwerk in Kraft tritt und luftfahrtrechtlich zugelassene Luftfahrzeuge verfügbar sind. Wir gehen davon aus, dass das nicht vor der Hälfte der nächsten Dekade der Fall sein wird. Airbus wird dabei in jedem Fall eine Rolle spielen!
Urban Air Mobility auf der CoSMoS 2019
Urban Air Mobility ist eines der Schwerpunktthemen der diesjährigen Conference on Smart Mobility Services am 12. März 2019 in Ingolstadt. Dr. Andreas Thellmann stellt in einem 30-minütigen Vortrag „Zukünftige Mobilität im Urbanen Luftraum / Future of Urban Air Mobility“ den Stand der Technik vor. Zuvor beschreibt Ingolstadts Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel die Elemente einer nachhaltigen Urbanität ein. Ingolstadt ist Partner der von der Europäischen Kommision unterstützten UAM-Initiative. Sämtliche Infos zur Veranstaltung finden Sie auf der Homepage von Bayern Innovativ.
Ein weiteres spannendes Interview zum Thema Urban Air Mobility hat die Unternehmensberatung Roland Berger mit Ingolstadts Bürgermeister Dr. Christian Lösel geführt: Ingolstadts soaring ambitions for Urban Air Mobility.
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Veranstaltungstipp 2019: Conference on Smart Mobility Services
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