Fahrerüberwachungssysteme – Wie sie funktionieren und worauf es im Detail ankommt

Autor / Redakteur: Rajat Sagar* / Benjamin Kirchbeck

Irgendeine Art der Überwachung hat jeder Autofahrer schon einmal erlebt – meist in Form des Beifahrers. Doch ein Fahrerüberwachungssystem (Driver Monitoring System, DMS) kann die Echtzeit-Rückmeldungen, die an die Lenk- und Steuerungssysteme eines Fahrzeugs gelangen, wirkungsvoll aufwerten. Die Details lesen Sie in Teil 1 der zweireihigen Übersicht.

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Rückmeldungen seitens des Driver Monitoring System kommt außerdem dem Komfort zugute, den das Autonome Fahren bieten kann.
Rückmeldungen seitens des Driver Monitoring System kommt außerdem dem Komfort zugute, den das Autonome Fahren bieten kann.
(Bild: Clipdealer)

Vielleicht fragt die besorgte Ehefrau auf dem Beifahrersitz, ob man eine Pause braucht, oder ein Freund fragt, ob man noch fahren kann, oder der Beifahrer macht einen auf eine Gefahr aufmerksam. Zweifellos können Beifahrer sehr hilfreich sein, wenn es um die Warnung vor Hindernissen oder potenziellen Risiken geht, aber dennoch ist die Fahrerüberwachung durch eine zweite Person nicht besonders praktikabel. Klar ist aber, dass kurze Momente der Ablenkung die Gefahr von Fahrfehlern bergen, aus denen ein Unfall resultieren kann.

Fahrer sind die häufigste Fehlerquelle bei Verkehrsunfällen

Einem Roadmap Report des Euro New Car Assessment Program (NCAP) für das Jahr 2025 ist zu entnehmen, dass schätzungsweise 90 % der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. In dem Bericht heißt es außerdem, dass im Allgemeinen zwei Arten von Fehlern beobachtet werden können. Zum einen sind es Übertretungen, unter denen zu schnelles Fahren sowie das Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss am häufigsten sind. Zum anderen geht es um menschliche „Fehler“, in denen die Verfassung des Fahrers (Unaufmerksamkeit, Müdigkeit, Ablenkung) und Unerfahrenheit eine wichtige Rolle spielen. In unserer immer älter werdenden Gesellschaft sind plötzliche medizinisch bedingte Fahruntüchtigkeiten ebenfalls eine immer häufigere Ursache für Verkehrsunfälle.

Ansicht des Gesichts des Fahrers im DMS.
Ansicht des Gesichts des Fahrers im DMS.
(Bild: TI)

Die Fahrer sind die häufigste Fehlerquelle bei Verkehrsunfällen, und nicht etwa die Technik. Dies gab den Anlass zu weiteren Forschungen und Sicherheitsinitiativen der Euro NCAP mit dem Ziel, gängige Fehler der Fahrer zu eliminieren. Teil- und vollautonome Fahrfunktionen können zwar dazu beitragen, Fahrfehler einzudämmen, doch haben neuere Meldungen gezeigt, dass nicht vorhersehbare Straßenzustände und Hindernisse auf der Straße (z. B. Fußgänger, Fahrradfahrer, Gegenstände usw.) ebenfalls zu Kollisionen führen. Solange autonome Fahrfunktionen noch nicht in der Lage sind, mit diesen Unbekannten zurechtzukommen, sind die Autofahrer gefordert, die Kontrolle über ihr Fahrzeug zu behalten.

Ein auf Bildverarbeitung basierendes Fahrerüberwachungssystem (Driver Monitoring System, DMS) kann wichtige Rückmeldungen an Fahrassistenzsysteme, elektronische Steuergeräte (Electronic Control Units, ECUs) und autonome Fahrsysteme weiterleiten, um Fehler der Fahrer zu kompensieren und bei ihrer Korrektur zu helfen. Ein Beispiel wäre der Fall, dass der Fahrer abgelenkt ist und das Fahrzeug ihn entweder warnt oder selbst korrigierend eingreift, um eine Kollision zu vermeiden.

Das Gesicht des Fahrers stets im Blick

DMS-Lösungen basieren auf einer oder mehreren Kameras, die mit Infrarotleuchten ausgestattet und so vor dem Fahrer angebracht sind, dass auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen qualitativ hochwertige Bilder aufgenommen und verarbeitet werden können. Ein Automotive-Prozessor des Typs TDA3 kann mit einer Rate von 20 bis 60 Frames pro Sekunde Kamerabilder an eine Recheneinheit streamen und Bildverarbeitungs-Algorithmen ausführen, um nicht nur die Präsenz des Fahrers zu detektieren, sondern auch wichtige Gesichtsmerkmale wie die Öffnung der Augen und des Munds, ein etwaiges Starren und die Kopfposition festzustellen. Schläfrigkeit zum Beispiel lässt sich daran erkennen, mit welcher Rate sich Punkte in der Umgebung des Auges auf und ab bewegen, oder an der Kopfposition (aufwärts, nach rechts gedreht oder geneigt).

Während der Bildverarbeitungs-Algorithmus fortlaufend wichtige Merkmale im Gesicht detektiert und analysiert, gibt er Indikatoren für den Zustand des Fahrers aus: Aufmerksamkeit, Ermüdung, Ablenkung, Blickpunkt usw. Werden diese Indikatoren mithilfe von Fahrassistenz-ECUs analysiert, können automatische Fahrmanöver und Bremseingriffe ausgelöst werden, um das Kollisionsrisiko zu minimieren oder zumindest zu reduzieren. Ebenso ist es möglich, autonome Fahrfunktionen abhängig vom Aufmerksamkeitszustand des Fahrers zu aktivieren oder zu deaktivieren.

Rückmeldungen seitens des DMS kommt außerdem dem Komfort zugute, den das autonome Fahren bieten kann. Hierzu wird interpretiert, ob die autonomen Betriebsarten in einem bestimmten Grenzfall (z. B. bei aufmerksamem Fahrer) noch aktiv sind. Anderenfalls können die notwendigen Schritte unternommen werden, um den Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass ihm die Kontrolle wieder übertragen wird. In einer Notsituation können diese Systeme auch genau das Umgekehrte tun, indem sie dem autonomen System die Kontrolle über das Fahrzeug übertragen, damit es helfen kann, das Fahrzeug an einem sicheren Ort zum Halten zu bringen, sollte der Fahrer einschlafen oder plötzlich nicht mehr fahrtüchtig sein.

Das DMS spielt eine zentrale Rolle für die Weiterleitung präziser Echtzeit-Rückmeldungen an die Lenk- und Steuerungssysteme des Fahrzeugs. Damit effizient und präzise auf das Feedback des DMS reagiert werden kann, bedarf es einer sehr leistungsfähigen Rechenplattform, während das System gleichzeitig in den knappen Platz im Fahrzeug passen muss. Im nächsten Blogbeitrag folgen einige Hinweise zu den System-Anforderungen, die bei der Entwicklung eines Fahrerüberwachungssystems zugrunde gelegt werden müssen.

* Rajat Sagar arbeitet als Automotive Systems Engineer für Texas Instruments

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