Emissionswerte – Was ist Fakt und was Mythos?

Redakteur: Benjamin Kirchbeck

Wie ist es, nüchtern betrachtet, um die Nachhaltigkeit von Diesel-Fahrzeugen bestellt? Die wichtigsten Fakten und fragwürdigsten Behauptungen zu den Emissionswerten von Feinstaub und NOx im Überblick.

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Die Luftqualität hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht nur in deutschen Ballungsräumen, sondern in ganz Europa erheblich verbessert. Seit 1990 sanken die Stickoxidemissionen von 2,9 auf 1,2 Millionen Tonnen jährlich.
Die Luftqualität hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht nur in deutschen Ballungsräumen, sondern in ganz Europa erheblich verbessert. Seit 1990 sanken die Stickoxidemissionen von 2,9 auf 1,2 Millionen Tonnen jährlich.
(Bild: Clipdealer)

Millionen Deutsche sind auf ihr Auto angewiesen. Viele könnten ohne Pkw ihren Job gar nicht ausüben. Wer weit fahren oder zur Arbeit pendeln muss, hat sich häufig für ein Dieselauto entschieden. Aus gutem Grund: Viele Kilometer mit einer Tankfüllung fahren, dabei umweltfreundlich und ressourcensparend unterwegs sein – das war der Grundgedanke vieler Arbeitnehmer. Inzwischen sind viele Dieselautos (und deren Fahrer) zur Lieblingszielscheibe der Nation geworden. Die aufgeheizte Debatte um Dieselfahrverbote hat große Teile der Bevölkerung massiv verunsichert.

Sachlichere Diskussion, komplexe Faktenlage

Vorzüge und tatsächliche Risiken der Dieseltechnologie werden wieder häufiger vorurteilsfreier diskutiert – unter Experten, Ärzten, vor allem der Pneumologie, in den Medien, auf den sozialen Kanälen. Zugleich ist die Faktenlage komplex und oft unübersichtlich. Die Nachhaltigkeit der Antriebstechnologie wird vor allem anhand der Emissionen von CO-2, Stickstoffdioxid (NO-x) und Feinstaub gemessen. Darüber hinaus werden zur Verbesserung der Umweltbilanz immer wieder Vorschläge diskutiert, deren Annahmen hoch umstritten sind – etwa ein Tempolimit auf Autobahnen, eine Erhöhung der Spritpreise oder die Einführung einer Elektroauto-Quote.

Die Luft wird deutschlandweit in Stadt und Land immer sauberer: Seit 1990 gehen die Jahresmittelwerte für Feinstaub mehr und mehr zurück.
Die Luft wird deutschlandweit in Stadt und Land immer sauberer: Seit 1990 gehen die Jahresmittelwerte für Feinstaub mehr und mehr zurück.
(Bild: VW)

Das Abgas eines Dieselmotors ist ein Gemisch aus vielen Stoffen, darunter Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO-X). Beide sind ab bestimmten Dosen für die Atemwege des Menschen stark gesundheitsschädlich. Die Frage ist: Wie werden diese Dosen gemessen, und wie kommen seriöse Grenzwerte zustande? An Straßen darf der Feinstaub derzeit 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht übersteigen, bei Stickstoffdioxid liegt der Grenzwert sogar bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Professorin Annette Peters, Direktorin im Helmholtz Zentrum München, legte vor vielen Jahren diese Werte mit fest. Heute sagt sie: „Das war eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, von der man dachte, die Bevölkerung wirksam zu schützen. Sie basierte auf der Auswertung von Krankheitsstatistiken.“

Was hatte man getan? Die WHO verglich Krankheits- und Sterberaten von Stadt- und Landbewohnern. Die geringere Lebenserwartung in Städten wurde maßgeblich mit dem Vorhandensein von NO-X begründet. Eine von Anfang an umstrittene Annahme. Dennoch: Diese angeblichen NO-X-Opfer wurden zur stärksten Waffe gegen den Diesel. 800.000 Menschen würden jährlich durch NO-X erkranken, 13.000 würden jährlich daran sterben, erklärt die Deutsche Umwelthilfe bis heute. Sie verklagte reihenweise Kommunen in Deutschland. Nach richterlichen Urteilen verhängen nun mehr und mehr Städte Fahrverbote. Die WHO übrigens hatte ihrerseits im Jahr 2000, als sie den Stickstoffdioxid-Richtwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in ihren Leitlinien zur Luftqualität in Europa veröffentlichte, ausdrücklich vor der Gleichsetzung von Richtwert und Grenzwert gewarnt.

„Eine einzige Volksverdummung“

Für Professor Martin Hetzel, Ärztlicher Direktor, Krankenhaus Rotes Kreuz in Stuttgart, einer der führenden Lungenkliniken des Landes, ist klar: „Der Feinstaubalarm ist eine einzige Volksverdummung. Denn Alarm ist ein Zeichen von großer und akuter Not. Der ist durch die Feinstaubbelastung in Stuttgart nicht gegeben.“ Hetzel kennt viele Patienten aus eigener Anschauung. Auch deshalb haben für ihn die statistischen Vergleiche, die die WHO zugrunde legte, nichts mit der Realität zu tun: „Es gibt keine Feinstauberkrankungen der Lunge oder des Herzens“, sagte er in der ARD.

„Kein einziger Todesfall ist kausal auf Feinstaub oder Stickstoffdioxid zurückzuführen. Das sind konstruierte mathematische Modelle. Es ist einfach nicht plausibel, dass diese geringen Konzentrationen von Feinstaub und Stickstoffdioxid Todesfälle hervorrufen, wie sie heute diskutiert werden.“ Dr. Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt räumt, wieder in der ARD, ein: „Es gibt tatsächlich keine NO-X-Toten. Das ist nicht beobachtbar. Wir können nicht eine Erkrankung auf eine Ursache herunterbrechen.“

Enorme Unterschiede: Nur an wenigen Tagen eines Jahres werden die Feinstaubwerte bundesweit an einzelnen Standorten überschritten. Durch das Feuerwerk Silvester/Neujahr ist die Feinstaubbelastung im gesamten Bundesgebiet regelmäßig sehr hoch.
Enorme Unterschiede: Nur an wenigen Tagen eines Jahres werden die Feinstaubwerte bundesweit an einzelnen Standorten überschritten. Durch das Feuerwerk Silvester/Neujahr ist die Feinstaubbelastung im gesamten Bundesgebiet regelmäßig sehr hoch.
(Bild: VW)

Im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft im Sauerland, einer ebenfalls führenden Lungenklinik Deutschlands, arbeitet Professor Dieter Köhler. Der Ex-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie sagt: „Man vergleicht also zwei Gruppen: Stadt- und Landbewohner. Und man findet einen geringfügigen Unterschied in der Lebenserwartung. Diese aber kann und wird auch von mangelnder Bewegung, mehr Alkohol, mehr Nikotin und andere Faktoren verursacht. Den Schluss zu ziehen, dies sei durch Feinstaub und Stickstoffdioxid begründet, ist wissenschaftlich nicht zulässig. Man macht aus einer zufälligen Beobachtung eine Kausalität, die nicht haltbar ist.“

Standorte der Messstellen – interessengeleitet?

Diskutiert werden inzwischen auch die Standorte der Messstellen in den Städten. Zu Deutschlands berüchtigster Messstelle am Stuttgarter Neckartor sagt etwa Professor Matthias Klingner: „Trickreicher kann man es wirklich nicht aufstellen. Mitten in einer Senke, noch dazu in einer Ecke. Hier ist kein freier Austausch von Abgasen und Luft möglich“, so der Experte und Leiter des Fraunhofer Instituts. Klingner sieht klar die Regeln für die Aufstellung von Messstellen verletzt. „Sie schreiben vor, die Messgeräte frei und mit 270 Grad Aufstellwinkel zu platzieren.“

Die regelmäßigen Fahrverbote in Stuttgart hält Klingner für Panikmache. Andere Faktoren seien viel entscheidender für Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Konzentrationen. „Bei längerem Regen werden diese Stoffe am Boden gebunden, dann messen wir nur sieben Mikrogramm pro Kubikmeter Luft“, so Klingner. Auch aus einem anderen Grund hält Klingner die Werte vom Stuttgarter Neckartor für nicht plausibel: „Wenn wir uns die hohen Werte anschauen, dann sind dafür die Autos verantwortlich, die vor der Ampel bremsen müssen und nach der Rotphase wieder anfahren. Da braucht jedes Fahrzeug besonders viel Kraftstoff. Auch deshalb sollen solche Messstationen ein Stück weit vom Kreuzungsbereich entfernt stehen, um solche Anfahrvorgänge eben nicht zu erfassen. Aber so erzeugt man eben hohe Stickoxidwerte.“

Wie stark der Verkehr die Menschen am Stuttgarter Neckartor wirklich mit Schadstoffen belastet, wollten die Wissenschaftlicher genauer wissen. Sie platzierten ihre Messgeräte in einer Studentenwohnung direkt an der sechsspurigen Straße. Was nun passierte, hatten auch sie nicht erwartet: In der Wohnung maßen sie 80 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Ursache: eine haushaltübliche Gastherme. Sie allein war verantwortlich, den Messwert schon auf das Doppelte des an Straßen geltenden Grenzwerts zu steigern. Nach dem Entzünden von zwei Kerzen stieg der Wert in der Wohnung sogar auf 140 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Aber das war noch nicht alles. Als sich die Studenten Spaghetti mit Tomatensoße auf zwei Gasflammen 15 Minuten lang kochten, sprangen die Anzeiger auf 1.300 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter – mehr als das 30-fache des Grenzwerts draußen. Das Fraunhofer Institut erklärt, „nicht ein Mensch sterbe in Deutschland an Schadstoffemissionen, die aus Dieselmotoren deutscher Pkw stammen.“ Im Gegenteil: „Deutsche Dieselfahrzeuge zeichnen sich im weltweiten Vergleich selbst unter Berücksichtigung der Abgasmanipulationen durch hervorragend niedrige Schadstoffemissionen aus.“

Ohnehin konnte der Schadstoffausstoß bei Dieselmotoren in den vergangenen 15 Jahren um 84 Prozent und bei Benzinmotoren um 60 Prozent gesenkt werden. Moderne Diesel-Pkw mit Euro-6-Norm gehören zu den saubersten Verkehrsmitteln überhaupt: So emittiert ein solcher Diesel-PKW 80 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Fahrgast auf einen Kilometer. Nahverkehrszüge mit Diesellok liegen pro Fahrgast und Kilometer dagegen bei 240 Mikrogramm Stickstoffdioxid, Linienbusse sogar bei 550!

Irrtümer lassen sich nicht dauerhaft halten

Die Luftqualität hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht nur in deutschen Ballungsräumen, sondern in ganz Europa erheblich verbessert. Seit 1990 sanken die Stickoxidemissionen von 2,9 auf 1,2 Millionen Tonnen jährlich. Die Jahresmittelwerte auf dem Land liegen derzeit bei 10, in den Städten bei 20 bis 30 Mikrogramm pro Kubikmeter. Auch an verkehrsreichen Straßen liegen sie im Durchschnitt unter 40, nur an einzelnen Messpunkten darüber.

Am Hamburger Hafen liegen die Tagesmittelwerte für Feinstaub bei 200 Mikrogramm/Kubikmeter. Zum Vergleich: In der für Diesel-Fahrzeuge gesperrten Max-Brauer-Allee liegt der Tagesmittelwert hingegen bei 10.
Am Hamburger Hafen liegen die Tagesmittelwerte für Feinstaub bei 200 Mikrogramm/Kubikmeter. Zum Vergleich: In der für Diesel-Fahrzeuge gesperrten Max-Brauer-Allee liegt der Tagesmittelwert hingegen bei 10.
(Bild: VW)

Natürliche Feinstaubbelastung in den Konzentrationen wie sie in Deutschland gemessen werden, führt auch bei Langzeitbetrachtung zu keinen statistisch nachweisbaren erhöhten Gesundheitsrisiken. Die Environmental Protection Agency (EPA) in den USA hat daher bereits 2006 den 50-Mikrogramm-Grenzwert für Feinstaub außer Kraft gesetzt. Darüber hinaus hält die EPA einen Stickoxid-Grenzwert von 103 Mikrogramm pro Kubikmeter für gesundheitlich unbedenklich. Das ist jetzt der amerikanische Grenzwert – dieser wird in Deutschland an keiner Messstation überschritten.

Professor Martin Hetzel, Ärztlicher Direktor am Krankenhaus Rotes Kreuz in Stuttgart, wittert sogar „unseriösen, ideologiegeleiteten Populismus“. Er meint: „Man kann natürlich die Linie verfolgen, Verkehr aus den Städten herauszubringen. Dann darf die Methode aber nicht sein, Grenzwerte festzulegen, die keine wissenschaftliche Grundlage haben. Das ist ein Irrtum.“ Und Irrtümer lassen sich in der Geschichte nicht dauerhaft durchhalten.

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