Batterie-Revolution China: E-Autos mit Natrium-Ionen-Batterien kurz vor der Serienreife

Von Henrik Bork Lesedauer: 5 min |

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BYD will beim Thema Natrium-Ionen-Batterien auch mitspielen. Im Modell Seagull könnte die Batterie zum Einsatz kommen.
BYD will beim Thema Natrium-Ionen-Batterien auch mitspielen. Im Modell Seagull könnte die Batterie zum Einsatz kommen.
(Bild: BYD)

In China stehen E-Autos mit Natrium-Ionen-Batterien kurz vor der Serienfertigung. Noch in diesem Jahr dürften die ersten Automodelle auf den Markt kommen. Gleich eine ganze Reihe von Herstellern liefert sich gerade ein Wettrennen darum, wer als erster die billigere Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien verbauen wird.

Zwei chinesische OEM, die in diesem Rennen nach aktuellem Stand weit vorne liegen, sind Chery und JAC. Beide sind in diesem Juni mit kleinen, günstigen E-Autos mit Natrium-Ionen-Batterien in die Produktliste des chinesischen Industrieministeriums MIIT aufgenommen worden. Das kommt in China einer Lizenz gleich, mit der die Produktion in großen Serien gestartet werden darf.

Das neue E-Auto von Chery nutze die neue Natrium-Ionen-Technologie von CATL, dem in China und weltweit führenden Batteriehersteller, berichtet das chinesische Autofach-Portal Jiemian Xinwen Gundong in einer aktuellen Ausgabe.

Diesem Online-Bericht zufolge handelt es sich bei dem neuen Auto von Chery um einen kleinen, rein elektrischen City-Flitzer der Klasse A00, der eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erreichen kann. Offiziell hat der OEM hierzu noch nichts bekannt gegeben.

Bei dem anderen E-Auto-Modell, dass vor wenigen Tagen von Chinas mächtigen Industrieministerium MIIT das grüne Licht für die Serienfertigung bekommen hat, handelt es sich Medienberichten nach angeblich um eine rein elektrische Limousine der Klasse A0 des chinesischen Herstellers JAC, das eine Natrium-Ionen-Batterie von Farasis nutzt und damit ebenfalls eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erreicht. Auch hier sind die Meldungen und Details über das Auto noch nicht offiziell bestätigt.

Vorteile gegenüber Lithium-Ionen

Der neue Batterietyp hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber den momentan den Markt dominierenden Lithium-Ionen-Batterien. Er könnte E-Autos viel günstiger machen als bisher und damit die gesamte Branche weltweit revolutionieren.

Anders als Lithium, dessen Vorkommen weltweit begrenzt sind und dessen Gewinnung und Weiterverarbeitung noch dazu mit einer großen Belastung der Umwelt einhergeht, ist das zur Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien benötigte Natrium in der Natur in beinahe unbegrenztem Volumen vorhanden. Es kommt sogar in gewöhnlichem Kochsalz vor. Auch wird für diesen Batterietyp in der Regel kein Kobalt gebraucht, ein weiterer für die Umwelt problematischer Bestandteil der Lieferketten für Powerbatterien.

Das wichtigste Argument für Automobilhersteller auf die Batterie-Alternative mit Natrium-Ionen zu setzen, ist allerdings der Preis. Innerhalb der letzten zwei Jahren war der Preis für Lithium vorübergehend stark gestiegen, auf bis zu 600.000 Yuan pro Tonne (rund 76.000 Euro).

Inzwischen ist der Preis zwar wieder gesunken, doch niemand zweifelt daran, dass Natrium-Ionen-Batterien auf Dauer billiger zu produzieren sind. Die genaue Prozentzahl der Einsparung ist schwer zu berechnen, weil die Preise für die Rohstoffe stark schwanken, aber je nach Marktlage kann sie bis zu 30 oder 40 Prozent erreichen. Die Batterien sind noch dazu mit ähnlichen Anlagen produzierbar wie die Lithium-Ionen-Variante.

Zwar haben Natrium-Ionen-Batterien im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien eine geringere Energiedichte und ermöglichen damit bei gleichem Volumen und Gewicht geringere Reichweiten, doch für den Stadtverkehr reichen sie schon in den jetzt bekannten Prototypen völlig aus.

BYD steigt ins Rennen ein

Da ist es nicht verwunderlich, dass auch BYD, einer der größten Batteriehersteller in China nach CATL, Natrium-Ionen-Batterien entwickelt. BYD hat ja bekanntermaßen auch eine Unternehmenssparte, die E-Autos und Hybride baut und inzwischen der führende Autoverkäufer in China geworden ist. Auch „Build Your Dreams“ hat also ganz klar das Zeug hat, das Wettrennen um die Markteinführung von Natrium-Ionen-Batterien zu gewinnen.

Bislang hat BYD offiziell nur angekündigt, noch in diesem Jahr mit der Massenproduktion von Natrium-Ionen-Batterie zu beginnen. Als erstes Automodell soll angeblich ein kleines E-Auto von BYD mit Fließheck („Hatchback“) damit ausgerüstet werden.

Noch unbestätigten Berichten des chinesischen Tech-Portals 36kr zufolge soll es sich dabei um ein Modell der BYD-Marke „Seagull“ mit einer Reichweite von etwa 300 Kilometern und einem Einstiegspreis von 80.000 Yuan (nur wenig mehr als 10.000 Euro) handeln.

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Diese vorhergesagten Preise zeigen, dass die Einführung der Natrium-Ionen-Batterien in der Serienfertigung theoretisch mehr als nur eine kleine Revolution auf dem globalen Markt der E-Mobilität auslösen könnte. Technisch, also in der Forschung & Entwicklung, hat dieser Batterie-Typ in den vergangenen Jahren außerdem starke Fortschritte gemacht. Ein Sprecher von CATL hat im vergangenen Herbst bereits Reichweiten von bis zu 400 km für E-Autos in Aussicht gestellt, in denen die Ionen zwischen Anode und Kathode mit Hilfe von Natrium statt Lithium transportiert werden.

Auch andere Hersteller in China beteiligen sich daher an dem Wettrennen. Sehol, ein Joint Venture mit Beteiligung von Volkswagen Anhui, hat einen Prototypen eines kleinen E-Autos mit Natrium-Ionen-Zellen gebaut, den „Sehol EX10“.

Rein oder Hybrid

Noch unklar ist derzeit, ob bei den ersten in Serienfertigung gehenden E-Autos mit der Natrium-Ionen-Technologie in China - den Quellen zufolge schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres - reine Natrium-Ionen-Zellen zum Einsatz kommen, oder eine „Hybrid-Form“ aus Natrium-Ionen- und Lithium-Ionen-Zellen.

Damit könnten die Vorteile des neuen Batterietyps genutzt werden (Preis, bessere Verfügbarkeit der Rohstoffe, auch bessere Leistung bei Niedrig-Temperaturen), während gleichzeitig durch einen gewissen Anteil von Lithium-Ionen-Zellen in den Akkupacks die Reichweite erhöht werden kann.

CATL arbeitet eigenen Angaben zufolge an einer solchen gemischten „AB Battery System Solution“, die für die Kombination von Natrium- und Lithium-Ionen einsetzbar ist. Auch bei BYD gibt es Berichten in der Fachpresse zufolge solche Entwicklungen. Es ist also möglich, dass das erste E-Auto mit der möglicherweise bahnbrechenden Natrium-Ionen-Technologie mit solch einem Misch-Akku ausgerüstet sein wird.

Die chinesische Regierung fördert die Natrium-Ionen als Energieträger in Batterien auch aus einem politischen Grund. Die Lithium-Vorkommen der Erde sind zu mehr als 70 Prozent in Süd- und Nordamerika konzentriert. Seit die USA mit einem Handels- und Technologiekrieg und Boykotten den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu bremsen versuchen, ist man in Kreisen von Partei und Regierung in Peking noch stärker an Alternativen zu Lithium für seine boomende E-Autoindustrie interessiert.

Auch in China aber bestimmt heutzutage zu großen Teilen der Markt über die technologischen Routen, die sich durchsetzen. Und die Trends in China bestimmen inzwischen immer häufiger die Entwicklung der E-Mobilität weltweit. Sobald die ersten Modelle von E-Autos mit den viel billigeren Natrium-Ionen-Batterien dann auch nach Deutschland exportiert werden, wird wohl auch bei uns eine Abkehr von der ausschließlichen Fixierung auf die leistungsstärksten Batterietypen wie LFP-Batterien und ternäre Batterien beginnen. Es gibt schließlich einen großen Bedarf für günstigere E-Autos.

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