Ridepooling auf dem Land „Bus und Bahn sollten die Ergänzung zu uns sein“
Ridepooling-Anbieter tun sich schon in Großstädten schwer. Ist der Ansatz auf dem Land überhaupt vorstellbar? Das Start-up Omobi will das in der oberbayerischen Prärie beweisen. Wir haben mit Co-Gründer Clemens Deyerling gesprochen, wie die Bilanz nach rund eineinhalb Jahren ausfällt.
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In Murnau geht es beschaulich und idyllisch zu. Eine Autostunde südlich von München am Staffelsee gelegen, ist der Ort mit seinen gut 12.000 Einwohnern ein beliebtes Ausflugsziel. Doch nicht nur das: Seit gut eineinhalb Jahren ist Murnau auch ein Reallabor dafür, wie der öffentliche Personennahverkehr auf dem Land in Zukunft aussehen könnte.
Die treibende Kraft dahinter ist die Omobi GmbH. Das Unternehmen bringt mit On-Demand-Kleinbussen Menschen in Murnau von A nach B. Inzwischen werden auch die nahegelegenen Gemeinden Seehausen und Riegsee angefahren. Vor Kurzem hatte der Fahrdienst einen kleinen Meilenstein zu feiern: 25.000 Fahrgäste hat Omobi seit dem Start befördert.
„Wir kennen keinen ÖPNV-Betrieb ohne Corona-Pandemie“
Dabei hätten die Voraussetzungen kaum schwieriger sein können. „Wir sind unter extrem schwierigen Bedingungen gestartet, wir kennen keinen ÖPNV-Betrieb ohne Corona-Pandemie. Darunter leidet natürlich auch der Tourismus. Wenn Ausflügler kommen, dann mit dem eigenen Auto. Umso stolzer sind wir darauf, wie unser Angebot angenommen wird“, sagt Omobi-Co-Gründer Clemens Deyerling im Gespräch mit »Next Mobility«.
Zwei Euro kostet ein Ticket für eine Fahrt mit Omobi. Das Unternehmen agiert im Auftrag der Gemeinde Murnau. Kunden können die Fahrten per App buchen, aber auch per Telefon. Denn der Dienst soll allen Altersgruppen offenstehen. „Mit uns fahren zum Beispiel Jugendliche, die noch kein Auto haben. Außerdem entlasten wir Eltern, die ihre Kinder zum Sport schicken. Aber wir haben auch vielen älteren Menschen ihre Mobilität zurückgegeben“, erklärt Deyerling.
Inzwischen könne man praktisch in jedem Café oder Biergarten vor Ort darum bitten, eine Fahrt mit Omobi zu buchen. Das Angebot soll für alle möglichst niederschwellig erreichbar sein. Abgeholt werden Kunden zwar nicht direkt vor der Haustür. Der Abholpunkt soll aber stets nicht weiter als „einen Steinwurf“ entfernt sein, verspricht Deyerling. Bezahlt wird per App oder bar im Bus.
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„Autonomes Ridepooling wird attraktiver sein als ein autonomes Auto“
Den Betrieb regelt Omobi derzeit mit zwei Bussen, die von Montag bis Freitag zwischen 6 und 20 verfügbar sind. Im kommenden Jahr will das Unternehmen die Diesel-V-Klassen durch Elektro-Modelle ersetzen. Keine leichte Aufgabe: Denn wie der ÖPNV ist auch die Ladeinfrastruktur in der Region nur rudimentär ausgebaut. Jenes Problem will Omobi lösen, indem die Firma sowohl auf eigene Lademöglichkeiten setzt, als auch auf feste Slots an den wenigen Schnellladesäulen vor Ort hofft. Mit den betreibenden Gemeindewerken steht das Unternehmen im Austausch, um diese in Zukunft beispielsweise regelmäßig in der Mittagspause der Fahrer nutzen zu können.
Trotz der bislang „überwältigend positiven“ Resonanz der Bürger, wie Clemens Deyerling es nennt, hat das Start-up in Murnau nicht nur Freunde. Wer im öffentlichen Auftrag unterwegs ist, muss sich auf Gegenwind beispielsweise von der politischen Opposition einstellen. „Bei der Umsetzung von ÖPNV-Projekten braucht man meistens einen langen Atem“, sagt der Co-Gründer. „Wir haben alle das gleiche Ziel und wissen, dass es eine Verkehrswende braucht. Nur bei dem Frage, wie die gelingen kann, driften die Vorstellung oft auseinander“, so Deyerling.
ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge und immer ein Defizitgeschäft“
Es komme durchaus vor, dass man dabei „politisch aufgerieben“ werde. Der Spaß sei dem Omobi-Team deshalb aber nicht vergangen. „Die Kommune ist zwar unser Auftraggeber, aber eigentlich arbeiten wir ja für die Bürger. Und dort ist die Grundstimmung durchweg sehr positiv“, sagt Deyerling.
Ein Argument von Kritikern des On-Demand-Angebots dürfte die fehlende Wirtschaftlichkeit sein. Schließlich fließen Steuergelder in das Projekt. Eine Denkweise, mit der Clemens Deyerling wenig anfangen kann. „ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge und immer ein Defizitgeschäft“, sagt der Omobi-Co-Gründer. „Wir wollen Kapital so einsetzen, dass möglichst viele Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Umso mehr ein ÖPNV-Angebot angenommen wird, umso eher kommt es den Bürgern zugute.“
Den eigenen Fahrdienst versteht Omobi auch nicht als Konkurrenz zu Bus oder Bahn. „Man muss Mobilität ganzheitlich denken. Wir sind genauso ÖPNV wie eine Buslinie oder eine Bahn. Digitaler On-Demand-Verkehr ist ein weiterer Baustein des öffentlichen Personennahverkehrs“, sagt Deyerling Gerade im ländlichen Raum könnten Ridepooling-Angebote die großen Lücken im Netz schließen. „Wenn man das so betrachtet, sollten eigentlich der Linienverkehr und die Bahn die Ergänzung sein. Sie können viel besser Lastspitzen wie zum Beispiel den Schülerverkehr abbilden als wir. Aber wir sind das Angebot für die Breite.“ Bislang werde auf dem Land der ÖPNV häufig „politisch missbraucht“, kritisiert Deyerling. Buslinien müssten wegen Befindlichkeiten einzelner viele unnötige Haltestellen anfahren und würden dadurch ineffizient.
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Die Erfahrungen, die Omobi bereits in Murnau gesammelt hat, will das Team künftig auch an anderen Orten einbringen. Einerseits als Beratungsfirma. Schon heute tausche man sich mit vielen Kommunen aus, erklärt Deyerling. Doch auch selbst will Omobi an weiteren Standorten aktiv werden. Als Ziel habe man sich gesetzt, in den kommenden fünf Jahren das eigene Konzept an drei weiteren Standorten umzusetzen, verrät der Co-Gründer. Auf bestimmte Regionen ist das Start-up dabei nicht fixiert. Nach den ersten Gehversuchen im idyllischen Voralpenland sei auch ein Start im hohen Norden denkbar, sagt Clemens Deyerling.
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