Belieferung auf der Letzten Meile: "Die allumfassende Lösung existiert nicht"
Der E-Commerce boomt und mit ihm das Transportwesen. Im Fokus steht dabei explizit die "Belieferung auf der Letzten Meile". Im Interview erläutert Stephan Röß, Intelligence Manager bei Continental, welche Alternativen es zu Lieferwagen und Co. gibt und ob autonome Lieferroboter, Drohnen und Cargo Bikes wirklich die Zukunft sind.
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next-mobility: Um dem steigenden Paketaufkommen gerecht werden zu können, bieten immer mehr Mobilitätsdienstleister innovative Möglichkeiten an, um die Belieferung auf der Letzten Meile zu optimieren. Woher kommt die hohe Nachfrage und welche Entwicklungen sind zu erwarten?
Stephan Röß: Das E-Commerce-Aufkommen hat stark zugenommen und ein Ende des Wachstums ist vorerst nicht in Sicht. Die Kurier-, Express- und Paket- Branche (KEP) steht deswegen vor enormen Herausforderungen. Die Anzahl der KEP-Sendungen hat sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt, auf nun rund 3,35 Milliarden. Zudem ist in Deutschland in den kommenden fünf Jahren mit einem jährlichen Wachstum von 3,5% bis 5,5% zu rechnen. Die Innovationskraft der Branche hat sich ebenfalls signifikant erhöht, was wiederum zu einem sehr differenzierten Produkt- und Dienstleistungsangebot geführt hat.
next-mobility: Woraus setzen sich die Produkt- und Dienstleistungsangebote im Bereich der Letzten Meile zusammen?
Stephan Röß: Das Angebot möglicher Liefersysteme reicht von einrädrigen Transport-Wheels, wie das des israelischen Entwicklers Kobi Shikar, bis hin zum E-Scooter von Prof. Schuh (RWTH Aachen). Das Transport-Wheel könnte zukünftig die Zustellung durch einen Postboten ersetzen. Es identifiziert mittels eines integrierten Sensors die Sendung und mehrere dieser Transportsysteme können sich zu einem Schwarm zusammenschließen, um größere Lasten zu transportieren. Hingegen substituiert der E-Scooter, immer mehr Auslieferungsfahrzeuge die noch mit einem Verbrennungsmotor angetrieben werden.
Doch auch in der Automobilindustrie gibt es revolutionäre Ansätze, welche im Bereich der Elektromobilität neue Maßstäbe setzten. Continental bietet unter anderem Lösungen im Bereich der Hybrid- und Elektroantriebssysteme, sowie im Segment der Ladetechnologien. 2017 präsentierten wir mit unserem 48 Volt-Antrieb ein System für eBikes, dass die Funktion der Fahrerunterstützung, sowie ein stufenloses und unter Last schaltbares Getriebe, in einer kompakten Antriebseinheit vereint. Diese Funktionsintegration ermöglicht ergonomisch optimierte Lösungen, bei denen der Fahrer stets bei seiner Wunsch-Trittfrequenz elektromotorisch unterstützt wird. In künftigen Ausbaustufen sind speziell für e-Cargo abgestimmte Systeme möglich, um die Belieferung auf der Letzten Meile klimaneutral zu gestalten.
next-mobility: Welche Trends konnten Sie im Transportsektor noch identifizieren?
Stephan Röß: Neben den klassischen Transportfahrzeugen, ist ein Trend hin zu autonomen Zustellrobotern und Flugdrohnen zu verzeichnen, welche das Sortiment der Belieferungsmöglichkeiten im Bereich der Letzten Meilen im B2B- und B2C-Sektor ergänzen. Allerdings ist der Einsatz sehr speziell auf die jeweiligen Kundenanforderungen abzustimmen, da noch keine standardisierten Systeme für ein Massensegment existieren.
Continental bietet mit seinen Robotik-Plattformen und smarten Steuerungssystemen Lösungen an, um die Belieferung der Letzten Meile zu unterstützen. Mit einem Marktdurchbruch ist aber erst nach der Etablierung von autonomen Fahrzeugen zu rechnen. Im Dienstleistungsangebot der KEP ist eine Vielzahl von „Paket Butlern“, also autonomen Paketannahme-Systemen, inkludiert. DHL bietet hier exemplarisch seine Paketstationen an und das Unternehmen feldsechs service hat einen verschließbaren „Beutel“ für Wohnungen im Angebot, in dem Sendungen hinterlegt werden können. Dies beeinflusst selbstverständlich auch die mögliche Anlieferung durch Drohnen oder autonome Lieferroboter. Die automatisierten Belieferungssysteme sind aber auf diese Form der Paketannahme noch abzustimmen. Ein weiterer Trend ist das Liefermanagement, welches meist stark automatisiert in Enterprise-Resource-Planning-Systemen gesteuert wird.
next-mobility: Welche Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Belieferung auf der Letzten Meile?
Stephan Röß: Getrieben durch immer schärfere Emissionsgrenzen, stellt die größte Herausforderung ohne Zweifel der klimaneutrale Transport dar. Daraus resultierend ergeben sich zwangsläufig hohe Potenziale für elektrische Antriebssysteme. Ein weiterer Treiber ist der weltweit wichtigste Automobilmarkt China, in dem die Elektromobilität staatlich prioritär gefordert wird.
next-mobility: Demnächst moderieren Sie eine Engineering Challenge von Continental zum Thema „Liefersysteme auf der Letzten Meile“ und referieren auf dem Kongress „mobilität querdenken“ von Bayern Innovativ. Welche Impulse erhoffen Sie sich?
Stephan Röß:Wir betrachten die Entwicklung des Marktes der Letzten Meile sehr intensiv, um unseren Kunden individuelle und innovative Lösungen bieten zu können. Im Rahmen von Engineering Challenges geben wir Studenten eine Möglichkeit, sich in den spannenden Themenkomplex einzuarbeiten und wir von Continental können so neue Impulse aus einer anderen völlig anderen Perspektive sammeln. Ich erhoffe mir von der Challenge speziell Anreize für weitere Antriebs- und Mobilitätskonzepte, sowie Anregungen im Bereich Leichtbau, Künstliche Intelligenz und Blockchain. Die Veranstaltungen von Bayern Innovativ geben Continental hingegen die Möglichkeit, innovative Lösungen mit einem breiten Fachpublikum zu diskutieren und Kooperationspartner für zukünftige Projekte zu identifizieren.
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Wie die Autobranche über die Ethik-Leitlinien zum autonomen Fahren denkt – Teil 3: Continental
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