Autoscheibe dunkelt sich ab und arbeitet als Touch-Display
Geht es nach Continental, so sollen die Scheiben im Auto sich selbstständig verdunkeln oder als Display mit Touch-Funktion dienen. Die Autoscheibe wird zur digitalen Schnittstelle für unterschiedliche Funktionen.
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Rund fünf Quadratmeter Glas sind heute im Schnitt in einem modernen Auto verbaut. Das ist fast doppelt so viel wie noch vor 30 Jahren. Doch während viele Bauteile, vom Innenspiegel mit Müdigkeitssensor bis zur Tachoanzeige in 3D, bereits als digital vernetzte Hightech-Komponenten fungieren, sind Autoglasscheiben große, digital meist ungenutzte Flächen.
Das wollen Entwickler bei Continental ändern. Grundlage sind Folientechniken, mit denen sich Panoramadächer verdunkeln lassen, ein Teil der Frontscheibe kann bei tiefstehender Sonne rechtzeitig getönt oder die Fenster hinter der B-Säule dunkeln sich ab. Ist in der Scheibe keine Heizung integriert, so lassen sie sich dank der Folie beheizen. Das Beste: Die mit Folien ausgestatteten Scheiben dienen als Display. Continental bezeichnet das als Intelligent Glass Control. Das Konzept soll weiterentwickelt werden damit Fensterscheiben als Benutzeroberfläche des Autos dienen.
Schwimmende Flüssigkristalle in der Autoscheibe
Die clevere Glasansteuerung arbeitet mit speziellen Folien, die in das Glas eingebunden sind und durch elektrische Steuersignale ihre Lichtdurchlässigkeit verändern. Dafür gibt es verschiedene Techniken, die aber unterschiedliche Vor- und Nachteile hinsichtlich der optischen Qualität oder der Verdunklungsgeschwindigkeit der Glasscheiben haben. Bisher werden solche Scheiben hauptsächlich bei Panoramadächern eingesetzt. Bei Continental setzt man auf eine Technik, die sich für alle Scheiben im Fahrzeug eignet und das Potenzial der Glasansteuerung noch einmal deutlich steigert: Die LC- beziehungsweise Liquid-Crystal-Technik.
Bei einer Form von LC-Autoglasscheiben schwimmen Flüssigkeitskristalle zusammen mit kleinsten Farbpartikeln in einer speziellen Suspension, die wiederum in eine feine Folie zwischen zwei dünnen Glasscheiben integriert ist. Unter Einfluss einer geringen Wechselspannung werden die Flüssigkeitskristalle gemeinsam mit den Farbpartikeln so ausgerichtet, dass sich die Scheibe verdunkelt oder aufhellt. Innerhalb von Millisekunden soll sich dabei eine durchsichtige Scheibe verdunkelt haben. Entscheidend ist: Die Scheiben weisen im Klarsicht-Modus keine sichtbare Resttrübung mehr auf. Zudem lassen sich verschiedene Farbgebungen realisieren.
Dunkle Scheiben und das Raumklima
Die generellen Vorteile von schaltbaren Verglasungstechniken sind: Jede Scheibe im Auto lässt sich auf Wunsch einzeln abdunkeln. Das ist derzeit aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zwar noch nicht auf allen Fahrzeugscheiben erlaubt, die Einsatzgebiete für künftige Anwendungen sind zahlreich. Werden hintere Scheiben abgedunkelt, etwa für die Privatsphäre im Fond, hat dies auch spürbar positive Auswirkungen auf das Innenraumklima. Die Wärmestrahlung der Sonne bleibt außen vor und im Sommer muss weniger gekühlt werden.
Wird die Tönungsfunktion in der Windschutzscheibe mit dem Bordnetz und der Cloud-Anbindung gekoppelt, lassen sich einzelne Bereiche der Scheibe entsprechend der Wetterlage und des Sonnenstands rechtzeitig automatisch abdunkeln. Hinzu kommen die Vorteile des Wärmemanagements: Als weiteres Anwendungsbeispiel könnten die Scheiben, vernetzt mit dem Schließsystem, im Winter sofort enteisen, wenn der Fahrer sich seinem Auto nähert.
Autoscheibe mit Touch-Funktion
Ebenfalls verbessern lässt sich die Effektivität adaptiver Kamerasysteme: Diese sind beispielsweise für Funktionen des autonomen Fahrens wichtig und werden, wenn im Bereich des Innenspiegels positioniert, bei tiefstehender Sonne beeinträchtigt. Mit Intelligent Glass Control kann die Autoscheibe künftig Funktionen in der Mensch-Maschine-Interaktion übernehmen: Auf der smarten Glasscheibe ließen sich Informationen der Fahrerassistenz- und Infotainment-Systeme einblenden. Die Scheibe könnte zudem mit Touchfunktion ausgestattet zu einem smarten Display werden.
Die Weiterentwicklung von Intelligent Glass Control geht einher mit dem allgemeinen Trend in der Automobilbranche zu immer größeren Glasflächen. Dabei hat wohl kaum ein künstlich hergestellter Werkstoff eine derart lange Karriere hinter sich wie Glas – und noch vor sich. Was vor 2500 Jahren mit dem robusten Glaskelch eines Pharaos im alten Ägypten begann, ist heute ein wichtiges Forschungs- und Entwicklungsfeld rund um einen Hightech-Hybrid-Werkstoff geworden.
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