50 Jahre Concorde – In 3 Stunden von London nach New York

Autor Sebastian Gerstl

Der Flug dauerte nur 29 Minuten, aber er schrieb Luftfahrtgeschichte: Am Samstag vor genau 50 Jahren startete das Überschallverkehrsflugzeug Concorde im französischen Toulouse zu seinem Jungfernflug. Der Jet sollte eine neue Ära der Luftfahrt einläuten – doch wirtschaftlich lohnte er sich nie.

2. März 1969: Die Concorde 001, der erste Prototyp eines Überschall-Passagierflugzeuges, startet in Toulouse zu ihrem Jungfernflug.
2. März 1969: Die Concorde 001, der erste Prototyp eines Überschall-Passagierflugzeuges, startet in Toulouse zu ihrem Jungfernflug.
(Bild: 02.03.69 1er vol de Concorde avec Jacqueline Auriol (1969) - 53Fi1931 / 02.03.69 1er vol de Concorde avec Jacqueline Auriol (1969) - 53Fi1931 / Fonds André Cros / CC BY-SA 4.0 / BY-SA 4.0)

Sie konnte eine Maximalgeschwindigkeit von Mach 2.04 (2180 km/h) erreichen und die Distanz zwischen London und New York in knapp unter drei Stunden bewältigen. Sie gilt als eine Ikone der Avionik – aber kommerziell lohnte sich ihr Einsatz nie wirklich. 27 Jahre lang, zwischen 1976 und 2003, war die Concorde als das schnellste Passagierflugzeug der Welt im Einsatz – und als solches, bis heute, quasi einzigartig.

Die Geburtsstunde des überschallschnellen Passagierflugs

Die Concorde war ein Gemeinschaftsprojekt des französischen Unternehmens Aérospatiale (heute Airbus) und der British Aircraft Corporation (heute BAE Systems). Schon seit den 1950er Jahren gab es sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien Bestrebungen, ein überschallschnelles Passagierflugzeug zu entwickeln. Diese Forschungen wurden von den jeweiligen Regierungen subventioniert. Man war motiviert, noch vor den Großmächten USA und UdSSR ein solches Flugzeug in Betrieb nehmen zu können. Die Entwicklung des weltersten SST (Supersonic Transports) war damit von Beginn an auch ein Politikum. Dennoch beauftragte die britische Regierung 1956 ein Supersonic Transport Aircraft Committee (STAC) genanntes Komitee zu ermitteln, wie teuer die Entwicklung eines solchen Flugzeuges ausfallen würde. STAC schätzte, dass ein 150 Passagiere fassender Überschalljet etwa 75 bis 90 Millionen britische Pfund in der Entwicklung kosten und ab 1970 im Dienst stehen könnte.

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Bereits von Beginn an standen bei der Entwicklung des überschallschnellen Personenfluges wirtschaftliche Bedenken in Raum. Unabhängig voneinander hatten die französischen und britischen Entwicklerteams sich bereits darauf festgelegt, für die Tragflächen ihres Überschalljets auf das Deltaflügel-Prinzip zu setzen – was später auch der Concorde ihre ikonische Dreiecksform geben sollte. Um Überschallgeschwindigkeit zu erreichen muss sich ein entsprechendes Flugzeug anderer Prinzipien bedienen, um den nötigen Dynamischen Auftrieb erhalten. Das Verhältnis von Auftrieb und Luftwiderstand und die daraus resultierende Gleitzahl fällt dabei deutlich ineffizienter aus als bei herkömmlicher Flugzeuge. Nicht nur hat dies einen höheren Spritverbrauch zur Folge, selbiger führt auch dazu, dass die maximale Betriebsdauer eines solchen Überschallflugzeuges deutlich niedriger ausfällt als bei einem regulären Jet.

Darüber hinaus benötigt ein solches Flugzeug auch eine wesentlich längere Startbahn, was die Zahl der möglichen Flugplätze, auf denen dieser Fliegertyp landen und starten kann, einschränkt. Auch über Umweltfolgen machte man sich bereits in der Frühzeit der SST-Entwicklung Gedanken: die Lautstärke des Überschallknalls löste massive Kritiken bei Umweltschützern, aber auch in der Zivilbevölkerung aus.

Dennoch trieben Frankreich und Großbritannien die gemeinsamen Bemühungen unentwegt voran – auch als die Entwicklungskosten alle erwarteten Maße zu sprengen drohten. Um Kosten zu sparen und die Entwicklung zu beschleunigen, einigten sich Vertreter der britischen und französischen Regierung darauf, ihre Bemühungen zusammenzulegen. Als beide Nationen die gemeinsame Concorde-Entwicklung vertraglich bestätigten, ging man noch von Entwicklungskosten in Höhe von insgesamt 150 Millionen britischen Pfund aus. Beim Namen setzten sich die Franzosen durch: Das gemeinsame Projekt sollte Concorde heißen.

Charakteristisch für die Concorde war neben ihrer Dreiecksform auch die spezielle Form des Cockpits als eine Art „hängende Nase“. Diese von Marshall's von Cambridge am Cambridge Airport entwickelte entwickelte Front ermöglichte es dem Flugzeug zur Stromlinienform zu wechseln. Für Start- und Reisegeschwindigkeiten konnten Piloten jedoch so den Luftwiderstand anpassen und eine optimale aerodynamische Effizienz zu erreichen, ohne die Sicht des Piloten während des Roll-, Start- und Landebetriebs zu behindern. Die hängende Nase wurde von einem beweglichen Visier begleitet, das vor dem Absenken in die Nase eingezogen wurde. Wenn die Nase in die Horizontale gehoben wurde, hob sich auch das Visier vor der Windschutzscheibe des Cockpits an, um eine aerodynamische Optimierung zu erreichen.

Am 2. März 1969 hob mit Concorde 001 der erste fertige Prototyp der Überschall-Passagiermaschine in Toulouse ab. Der Flug dauerte 29 Minuten und sollte zunächst nur die generellen Flugeigenschaften der Maschine testen. Im April startete ein zweiter Prototyp, die Concorde 002, vom Flughafen in Bristol zu einem Testflug. Und ein halbes Jahr später, am 1. Oktober 1969, erreichte Concorde 001 schließlich erstmals Überschallgeschwindigkeit.

Überschallknall und Spritverbrauch blieben ein Problem

Die Concorde-Modelle waren nicht die ersten überschallschnellen Passagierjets in der Luft: Etwa zwei Monate zuvor hatte in der UdSSR, nahe Moskau, erstmals eine Tupolew Tu-144 abgehoben und bereits am 5. Juni 1969 Überschallgeschwindigkeit erreicht. Die Entwicklung eines für den Linienflug tauglichen SST wurde zunehmend zu einem Prestigeprojekt zwischen West und Ost im Kalten Krieg.

Trotz steigender Kosten war das britisch-französische Projekt deutlich besser voran gekommen als etwa konkurrierende US-Entwicklungen von Boeing oder Learjet. Zwischen 1963 und 1967 bestellten zahlreiche Fluglinien Dutzende Concordes vor, in der Hoffnung den Flieger bald selbst in Betrieb nehmen zu können.

Doch die Inbetriebnahme für Linienflüge war mit zahlreichen Rückschlägen verbunden. Der wesentlich höhere Lärm, den die Maschine beim Starten und Landen erzeugte, sowie die Lautstärke des Überschallknalls hatten bei diversen Demonstrationsflügen massive Beschwerden in der Bevölkerung und bei Umweltschützern hervorgerufen. Mehrere Länder sprachen ein Überflugverbot für Überschallflugzeuge aus. Dies hatte zur Folge, dass die Concorde effektiv nur über Ozeanen ihre volle Fluggeschwindigkeit entfalten durfte. 1971 stellte die US-Regierung sein SST-Programm, die Entwicklung der Boeing 2707, ein.

Ein weiteres Problem stellte die Ölkrise der 1970er Jahre dar. Da ein Überschalljet einen wesentlich höheren Treibstoffbedarf für die selbe Reisestrecke hatte als ein „regulärer“ Passagierjet, wurde die Anschaffung einer Concorde in einer Zeit rapide steigender Spritpreise wirtschaftlich immer unrentabler.

Der dramatische Absturz einer Tupolew-Tu-144-Konkurrenzmaschine während einer Flugschau in Paris verpasste dem allgemeinen Enthusiasmus für den Überschallflug einen weiteren massiven Dämpfer. Die Concorde hatte zuvor einen eigenen, unspektakulären Demonstrationsflug absolviert. Wohl in dem Bestreben, die Konkurrenz schlecht aussehen zu lassen, ließ der Pilot der Tupolew-Maschine seinen Jet mit allen vier Triebwerken auf Vollschub ansteigen. Doch auf einer Flughöhe von 600 Metern versagten die Antriebe den Dienst. Die Maschine kippte und stürzte ab. Neben den sechs Personen an Bord kamen noch 8 weitere Menschen bei dem Unglück ums Leben, darunter drei Kinder.

All diese Faktoren, zusammen mit den hoch ausfallenden Produktionskosten – 1977 sollte die Anschaffung einer einzelnen Concorde-Maschine 23 Millionen Pfund verschlingen – trugen dazu bei, dass zahlreiche Flugunternehmen ihre bereits in den 60er Jahren getätigten Vorbestellungen 1973 wieder stornierten. Neue Interessenten konnten nicht gefunden werden. Insgesamt wurden nur 20 Concordes gebaut, sechs Entwicklungsmaschinen und 14 für den kommerziellen Flugverkehr. Von diesen wiederum waren 7 Jets für Air France und 7 weitere für British Airways im Einsatz.

Ein Blechteil auf der Flugbahn brachte den Anfang vom Ende

Am 21. Januar 1976 nahmen schließlich die ersten Concorde-Maschinen ihren Linienbetrieb auf: British Airways mit der Strecke London/Bahrain und Air France auf der Strecke Paris/Rio de Janeiro. Eine Linienverbindung mit den USA kam erst 1977 zustande – Proteste in der US-Bevölkerung hatten dazu geführt, dass der US-Kongress ein Landeverbot für die Maschinen aussprach, dass erst ein Jahr später vom Obersten Gerichtshof wieder aufgehoben wurde.

Die Vorzüge der Concorde waren auf dem Papier eindeutig: Während reguläre Airliner 8 Stunden für einen Flug von Paris nach New York benötigten, konnte der Überschalljet diese Strecke in gerade einmal 3,5 Stunden bewältigen. Theoretisch wären sogar Flüge von unter zwei Stunden möglich gewesen – da die Concorde wegen des Lärms aber nur über dem Atlantik auf die vollen Mach 2.04 gehen konnte, verzögerte dies die effektive Reisezeit – und schränkte auch die Wirtschaftlichkeit weiter ein. Zudem nahmen Flugreisende die Ticketpreise einer Concorde-Maschine als unverhältnismäßig teuer wahr. Dennoch gab British Airways 1986 an, mit dem Einsatz der Maschinen Profit zu machen.

Der fataler Unfall einer Concorde-Maschine in Diensten der Air France, Flug 4590 von Paris nach New York, verpasste dem überschallschnellen Passagierflug allerdings einen herben Dämpfer: Am 25. Juli 2000 schlitzte ein auf der Landebahn liegendes Blechteil den Reifen der startenden Maschine auf. Der platzende Reifen beschädigte das Fahrwerk des Jets und riss einen der Tanks auf, der prompt Feuer fing. Mit nur noch drei Triebwerken und dem beschädigten Fahrwerk stürzte die Maschine zwei Minuten nach Beginn des Startlaufs auf ein Hotel in der Nähe des Flughafens. Insgesamt 113 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, darunter alle 109 Passagiere.

Nach dem Unglück stellte Air France den Betrieb der Concorde vorübergehend ein. Die britische Zivilluftfahrtbehörde CAA erließ eine Lufttüchtigkeitsanweisung für den Flugzeugtyp; alle noch in Betrieb stehenden Concordes mussten nachgebessert werden, ehe sie wieder den Flugbetrieb aufnehmen durfte. Aufgrund des Unglücks blieben aber mehr Passagiere dem Überschalljet fern. Als auch noch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der internationale Flugverkehr weltweit deutlich zurückging, wurde der weitere Betrieb der Concorde-Maschinen immer unrentabler. Sowohl Air France als auch British Airways stellten den Flugbetrieb der Überschall-Jets zwei Jahre später ein; der letzte Flug mit einer Concorde, einer British-Airways-Maschine, fand am 26. November 2003 von London-Heathrow ins Luftfahrt-Museum in Filton statt. Damit fand die Ära des Überschall-Personenfluges nach über 27 Jahren ein vorläufiges Ende.

Eine neue Zukunft für den Überschalljet?

Vollkommen Abschreiben sollte man die Geschichte des Überschall-Personenverkehrs allerdings nicht. 2013 etwa stellte die japanische Aerospace Exploration Agency einen unbemannten Prototypen eines SSTs vor. Der Überschalljet sei für 50 Personen ausgelegt, sein Lärmpegel solle gerade einmal ein Viertel von dem einer Concorde betragen, hieß es von Seiten der Konstrukteure. Im Sommer 2013 sollten erste Testflüge stattfinden, seitdem blieb es um den Prototypen aber gänzlich still.

Andernorts sind aber noch weitere Projekte für den Überschallflug im Gange. 2015 ließ sich Airbus das Konzept eines Überschall-Personenjets patentieren, das es auf eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 4,5 bringen könne – bei einer Flughöhe von 30.000 Metern. Der Überschallknall dieser Maschine solle deutlich geringer ausfallen als bei einer Concorde: Die Schockwelle entwickele sich, laut Patent, von der Rumpfnase in einem engen Winkel von 11 bis 15 Grad. Zusammen mit der hohen Flughöhe hätte die Schockwelle so mehr Zeit zur Zerstreuung, bevor sie den Boden erreicht.

Gänzlich ohne Knall soll dagegen das X-Plane auskommen, ein Projekt, an dem die NASA gemeinsam mit dem Rüstungskonzern Lockheed Martin arbeitet. Der Jet soll in etwa 16 Kilometer Höhe mit rund 1500 Kilometern pro Stunde fliegen – und anstelle eines lauten Knalls nur ein Geräusch erzeugen, das „so laut ist wie das Zuschlagen einer Autotür“, laut einer Pressemitteilung der NASA. Die Raumfahrbehörde gab das Projekt im April 2018 bekannt. Ein Prototyp des X-Plane soll bis Ende 2021 fertiggestellt sein. Lockheed Martin erhält für seine Beteiligung an dem Projekt 247,5 Millionen Dollar (etwa 200 Millionen Euro). Es scheint also noch eine Zukunft für den überschallschnellen Personenverkehr zu geben.

Übrigens: Dem direkten Concorde-Konkurrenten Tupolew TU-144 war eine deutlich kürzere Lebenszeit beschieden. Nachdem die russische Fluglinie Aeroflot am 1. November 1977 die erste Linienmaschine in Betrieb genommen hatte, kam nach dem Absturz einer weiteren Tupolew-Testmaschine im Mai 1978 bereits das abrupte Ende. Die Flotte an Passagierflugzeugen wurde nach gerade einmal knapp 6 Monaten und 55 Linienflügen wieder aufgelöst.

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